Abgesang auf eine intakte Wohnsiedlung: Plakatsujet und Ausschnitt aus dem preisgekrönten Dokumentarfilm «Brunaupark». Bild: zvg
Wenn Rendite Heimat zerstört
Der Luzerner Filmemacher Felix Hergert zeichnet mit seinem Werk «Brunaupark» ein subtiles Porträt unserer Gesellschaft. Prädikat: wertvoll und sehenswert.
Von Sandra Baumeler
Der «Brunaupark» ist eine Siedlung in Zürich. Gebaut hat sie die Pensionskasse der gewesenen Credit Suisse (CS). Obwohl die vier Wohnblöcke erst in den 1980er- und 1990-er-Jahren hochgezogen worden waren und die letzte Sanierung noch nicht lange her ist, sollen sie einer Neubausiedlung weichen: Verdichtet, modern, urban lauten die Schlagworte. Dass der «Brunaupark» ganz viel Substanz hat – auch im übertragenen Sinn – interessiert die Investoren nicht.
Die Pläne der CS und der sich regende Widerstand haben den 35-jährigen Luzerner Filmemacher Felix Hergert auf den Plan gerufen. Während dreier Jahre realisierte er als Regisseur und «Tönler» gemeinsam mit Dominik Zietlow (Kamera, Co-Regie) den unterdessen preisgekrönten Dokumentarfilm «Brunaupark». Herausgekommen ist ein Meisterwerk der leisen Töne. Hergert machte sich zum Anwalt der Mieterinnen und Mieter und all jenen Menschen, für die der «Brunaupark» mehr als Wohnen ist.
Unter Brücken schlafen?
Die rüstige ältere Frau philosophiert übers Wohnen. Früher, da sei man bei der Wohnungssuche noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen worden. Es gab zu viele Wohnungen, und sie waren dementsprechend bezahlbar. Heute, ein paar Jahrzehnte später, ist das Gegenteil der Fall. Diese Protagonistin im Film «Brunaupark» fragt rhetorisch, wo sie dereinst wohnen könnte, sollte die Siedlung tatsächlich abgerissen werden. Sie kommt zum Schluss, dass Zürich zu wenige Brücken habe, unter denen Wohnungslose schlafen können, ergo müsse die Stadt halt mehr Brücken bauen.
Von Kindern bis zu den Alten, viele kommen zu Wort, die im «Brunaupark» wohnen oder sich gerne dort aufhalten. Hergert lässt sie sprechen – und ausreden: spielende und neunmalkluge Mädchen, abhängende und gelangweilte Jungs, den älteren Mann im Rollstuhl, die alternde Sängerin, den Wirt, den Obdachlosen («Rette die Zigarette») und andere mehr. Die Sängerin übrigens – zu sehen auf dem Filmplakat – dürfte dank des Films wohl in die Rolle ihres Lebens geschlüpft sein. Auch wegen des sorgfältigen Schnitts zeichnet der Film überdies Porträts von Menschen wie du und ich.
Vor Bundesgericht
Zürich ist in vielen Dingen eine Schuhnummer grösser als Luzern. Das Thema «Gentrifizierung» ist indessen auch hier längst eines. Sanierungen sowie Um- und Neubauten verändern Quartiere und verdrängen bisherige Mieterinnen und Mieter, weil Wohnräume zu unbezahlbaren Wohnalpträumen werden. Darunter leiden vor allem ältere Menschen, die unter Umständen sogar im hohen Alter eine neue Bleibe suchen müssen, darüberhinaus ein Stück Heimat verlieren und ihre Portemonnaies über Massen strapaziert werden.
Auch das zeigt der Film «Brunaupark» exemplarisch auf. Trotz aller Tristesse kommen Heiterkeit, Humor und Hoffnung nicht zu kurz – dank der Protagonisten und Protoganistinnen, die den «Brunaupark» so verkörpern, wie er ist: Ein in sich gewachsener geliebter Mikrokosmos, wo es weder Soziokultur noch Animation braucht, um sich zu verstehen und gegenseitig zu unterstützen.
Jene Mieterinnen und Mieter, die sich gegen die Wohnungskündigungen und den Abbruch wehren und eine Interessengemeinschaft gegründet haben, können übrigens tatsächlich hoffen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hob im Frühling die Baubewilligung auf. Nun ist das Bundesgericht an der Reihe, weil die CS-Pensionskasse auf ihrem Vorhaben beharrt.
Im «Bourbaki» mit dem Regisseur
«Brunaupark» läuft im Kino Bourbaki (ab 29. August 2024). Am 11. September 2024 veranstaltet der Luzerner Mieterinnen- und Mieterverband ein Podiumsgespräch. Filmemacher Felix Hergert wird mit von der Partie sein.
27. August 2024 – sandra.baumeler@luzern60plus.ch