Die Lust auf neue Begegnungen war in der Kornschütte deutlich spürbar.
Die engagierte Unruhe des Ruhestands
Unglaublich, wie beliebt der «Marktplatz 60plus» bei der Luzerner Bevölkerung ist. Am Samstag, 4. Mai 2024, ging das jährliche Stelldichein von 44 sozialen Organisationen mit ihren zahlreichen Angeboten in der Luzerner Kornschütte erfolgreich über die Bühne.Von Hedy Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bilder)
Allen Ausstellenden ist eines gemeinsam: Ihre vielfältigen Angebote im sozialen Bereich können sie vor allem aufgrund von freiwilligem Engagement aufrechterhalten. Dass diese Angebote auf grosses Interesse beim Publikum stossen, war denn auch offensichtlich. An den Marktständen wurde zu Themen wie Rheuma, Haushaltshilfe oder Umgang mit Schwerkranken informiert. Neben dem Café Med Luzern gab es das Tüftelwerk, den Verein Klima-Grosseltern Innerschweiz oder Innovage, zu entdecken, ein Netzwerk von pensionierten Fachleuten.
Wollte die potenzielle Kundin nicht selbst von den Angeboten profitieren, liess sie sich eventuell als Freiwillige «rekrutieren». Der Bedarf an zukünftig engagierten Freiwilligen wurde denn auch offen und sympathisch angesprochen. Es fühlte sich wie eine Art «Nachwuchssuche» an, bei der Alter und ehrenamtliches Engagement die ausschlaggebenden Auswahlkriterien waren.
Die Lust auf neue Begegnungen, die Möglichkeit, sich auf ein sinnvolles gesellschaftliches Engagement für die Umwelt einzulassen war bei den Besucherinnen und Besuchern des Marktplatzes deutlich spürbar.
Grossandrang bei den Podiumsgesprächen
Zusätzlich wirkte das Motto «Abenteuer(l)ich» des diesjährigen «Marktplatz 60plus» wie ein Magnet auf das altersdurchmischte Publikum. Dessen Neugier auf abenteuerliche Geschichten in der dritten Lebensphase zeigte sich am grossen Andrang bei den Podiumsgesprächen mit Frauen und Männern, die das Leben höchst intensiv und individuell gestalten. Auch im Ruhestand.
So reisen Maya von Dach und ihr Partner mit ihrem selbst ausgebauten Camper «Bushbaby» durch das südliche Afrika, um dort mehr über die Lebensrealität von Menschen und Wildtieren zu erfahren. Mit Begeisterung erzählt Maya von Dach, wie sie von ihrem Gefährt aus Büffel, Elefanten, Giraffen und Vögel beobachten kann, wie sie die Geräusche der Tiere und die Düfte des «Garten Eden» regelrecht aufsaugt. Wie es sich anfühlt, nachts den Sternen nahe zu sein, aber auch die Leere von endlosen Fahrten durch den Busch zu ertragen.
Die Kluft zwischen Arm und Reich in den afrikanischen Städten hat sie motiviert, sich als Heilpädagogin in einem Projekt für Kinder zu engagieren. Sie hat aber auch erfahren, «dass permanente Armut und Ungerechtigkeit für mich nur begrenzt ertragbar sind». Ihre Reisen beschreibt sie als «ein Geben und Nehmen», der Reiz für sie, immer wieder in die südlichen Länder Afrikas aufzubrechen.
Auf der Reise nach der eigenen Identität
Von einer anderen Dimension von Abenteuer erzählte Rea Meier: von der Suche nach der eigenen Identität. Die in Luzern lebende Transfrau hat sich vor acht Jahren entschieden, sich zu zeigen, wie sie ist, sich nicht mehr länger in ihrem männlichen Körper zu verstecken. Seither ist sie sichtbar als Mensch mit einer weiblichen Seele. Dieser Schritt nach aussen hat für sie bedeutet, sich so zu zeigen, wie sie sich fühlt. Aussteigen aus der Fixation auf die Männerrolle und der weiblichen Identität Raum und Gestalt geben. Sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, wie sie es mag, schön zu sein.
Auf dieser Reise von innen nach aussen ging es nicht so sehr darum, räumliche Distanzen zurückzulegen, sondern gesellschaftliche Normen, die Eindeutigkeit der Geschlechterrollen, zu überwinden. Die Erfahrungen, die Rea Meier als Mensch mit weiblicher Seele in einem männlichen Körper macht, sind neben einem Statement für gesellschaftliche Vielfalt vor allem Erfüllung einer tiefen Übereinstimmung von Seele und Körper. Ja, das Leben ist ein Abenteuer, ein ganzes Leben lang!
Zahlreiche lebendige Eindrücke vom Marktplatz 2024 finden Sie auch hier in der Fotogalerie von Joseph Schmidiger.
Die Gespräche mit Maya von Dach und Rea Meier wurden von Urs Hunkeler und Andrea Pfalzgraf geführt. Organisiert wurde der «Marktplatz 60plus» vom Forum Luzern60plus, in Freiwilligenarbeit versteht sich, mit Unterstützung der Fachstelle für das Alter der Stadt Luzern.
10. Mai 2024 – hedy.buehlmann@luzern60plus.ch