Viermal wurde seit Juni das «Singen für Ältere» mit Wolfgang Sieber in der Lukaskirche durchgeführt.
Wo man singt, da lass dich ruhig nieder
Zwischen 40 und 60 Frauen und Männer hatten sich jedes Mal zum gemeinsamen Singen und zum Austausch bei Kaffee und Kuchen mit einen Überraschungsgast eingefunden. Um den neuen Kirchenmusikern Raum für Neues zu geben, wurde das unentgeltliche Angebot der reformierten Kirche der Stadt Luzern zum Bedauern aller Beteiligten vorläufig eingestellt.
Von Monika Fischer (Text und Bilder)
«Das gemeinsame Singen tut so gut. Wenn es nur weitergeht», hoffte am letzten Donnerstagnachmittag meine Sitznachbarin im Chor der Lukaskirche. Bald unterbrach fröhliche Orgelmusik das Reden. Sie mündete nach und nach in der Melodie des Liedes «Ade, ben i luschtig gsi». Alle summten mit. Aufgefordert von Wolfgang Sieber sprachen die Anwesenden rhythmisch den Text, sie bewegten sich dazu – und sangen. Unter dem nächsten Stück im Liederbuch «Conquest of Paradise» konnte ich mir zunächst nichts vorstellen, bis Wolfgang Sieber den bekannten Popsong auf der Orgel spielte und ich mit den andern mitsummte. Es folgten im bunten Wechsel «Der Leiermann» aus der «Winterreise» von Franz Schubert, «Gilberte de Corgenay», der «Kriminaltango, «Laudato si», «S'Guggerzytli»... Der Leiter hatte die Liederbücher unter anderem nach den Wünschen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammengestellt. Beim vierstimmig gesungenen «S'isch äbe en Mönsch uf Ärde» entstand in der zusammengewürfelten Gruppe so etwas wie ein Chorgefühl.
Zwischen den einzelnen Liedern erzählte Wolfgang Sieber Anekdoten aus seiner Jugend, seiner Zeit als Lehrer, als Organist. Mit knappen Worten erklärte er die Harmonie in der Musik. Bei seinen Liedbegleitungen leuchteten die vielfältigen Farben der Orgel auf und zauberten Stimmung in den Kirchenraum. Die Konzentration aufs Singen liess alles andere vergessen. Die Zeit verging wie im Flug. Nach dem Lied «We shall overcome» erklärte Wolfgang Sieber, dass vorläufig Schluss sei mit dem gemeinsamen Singen.
Wohltuend und befreiend
Zum Konzept des Projektes gehörte im Anschluss an das Singen das gemütliche Zusammensein bei Kaffee und Kuchen, organisiert von Sylvia Käslin mit den Luzerner Orgelfreunden. Nach einem Piloten, einem Pfarrer und einer Journalistin war diesmal Anton Schwingruber der Überraschungsgast. Er erzählte von seinem Leben als Bauernbub in Werthenstein, vom Gymnasium in Nuolen bei den Missionaren der Heiligen Familie, die auf einen Mitbruder gehofft hatten, von seinem Jus-Studium und seiner Zeit als Regierungsrat. «Ich lebe von und mit der Musik, sie hat etwas Befreiendes», lachte der Kirchenchorsänger und berichtete, wie er einmal die Lohnverhandlungen mit den Lehrpersonen mit dem gemeinsam gesungenen Kanon «Froh zu sein bedarf es wenig» eingeleitet hatte. Er stimmte den Ton an, und alle sangen begeistert mit.
Pfarrer Markus Sahli freute sich über das erfolgreiche Pilotprojekt der reformierten Kirche der Stadt Luzern. Er bedauerte dessen vorläufige Einstellung, weil es mit dem Wechsel der Kirchenmusiker Raum geben müsse für Neues. Mit zwei Flaschen Kirchenwein dankte er dem «begnadeten Musiker» Wolfgang Sieber, dem es gelinge, die Leute mitzunehmen und Freude zu bereiten. Viele der Anwesenden äusserten ihr Unverständnis über diese Situation, was eine Teilnehmerin wie folgt zusammenfasste: «Das gemeinsame Singen tut so gut und bringt Abwechslung in den Alltag. Ich gehe jedes Mal beglückt nach Hause. Ich verstehe nicht, warum wir alten Menschen keinen Raum mehr bekommen für dieses erfolgreiche Projekt.» «Wir werden schauen, wie es weitergehen kann – irgendwann, irgendwo», sagte Wolfgang Sieber.
«Froh zu sein bedarf es wenig», sangen die Anwesenden unter Anleitung des Überraschungsgastes alt Regierungsrat Toni Schwingruber.
29. Oktober 2022 – monika.fischer@luzern60plus