Deutschlehrer Joseph Schmidiger möchte seinen ukrainischen Schülerinnen mit einem abwechslungsreichen Unterricht möglichst viel mitgeben.
Den Bildern des Schreckens etwas entgegensetzen
Rund 1900 geflüchtete Ukrainerinnen halten sich im Kanton Luzern auf. Dankbar für die Hilfsbereitschaft wurden sechs junge Frauen selber aktiv und gründeten anfangs Mai die Wohltätigkeitsorganisation LUkraina. Dort erteilt der pensionierte Sekundarlehrer Joseph Schmidiger freiwillig Deutschunterricht.Von Monika Fischer (Text und Bild)
Neben anderen Angeboten sind die Deutschkurse besonders gefragt. Von 170 Angemeldeten aus der ganzen Region konnten im April 80 Personen in einen der sieben Kurse im Bell-Areal in Kriens aufgenommen werden. Dafür stellt sich auch der Fotograf von Luzern60plus, Joseph Schmidiger, zweimal in der Woche freiwillig zur Verfügung. Er hat sich sofort gemeldet, als er vom Bedarf nach Lehrpersonen hörte und erklärt: «Angesichts der Bilder aus der Ukraine musste ich etwas machen, um den Schrecken zu verkleinern. Ich hatte ein gutes Leben als Lehrer und möchte meinen Schülerinnen in einem abwechslungsreichen Unterricht möglichst viel mitgeben.» Er überlegte nicht lange, sondern fing einfach an und möchte dabeibleiben «solange es mich braucht.»
Nur Deutsch ist erlaubt
In der lockeren Unterrichtsatmosphäre möchten sich die Frauen immer wieder mit Englisch behelfen. «Nur die deutsche Sprache ist hier erlaubt», sagt Joseph Schmidiger bestimmt. Er ist erstaunt, wie schnell die durchwegs gut ausgebildeten Frauen begreifen, wie konzentriert und fröhlich sie trotz allem sind, obwohl sie neben dem Unterricht immer wieder auf das Smartphone mit Nachrichten aus der Heimat schauen. «Umso wichtiger ist es, dass sie durch den Unterricht abgelenkt werden und auch lachen können», sagt der pensionierte Sekundarlehrer und erklärt das Prinzip des Vereins LUkraina: «Wer eine Dienstleistung bezieht, muss wieder etwas zurückgeben, durch Mithilfe im Shop, einem eigenen Kursangebot, der Übernahme der Kinderbetreuung während den Deutschkursen usw.»
Joseph Schmidiger bietet wo nötig Unterstützung und es ist ihm wichtig, dass die Ukrainerinnen auch lachen können.
Die Talente und Fähigkeiten nutzen
Der Verein LUkraina wurde anfangs Mai von jungen Ukrainerinnen mit Unterstützung von lokalen Organisationen, insbesondere vom Verein Hope, als Wohltätigkeitsorganisation gegründet. Gemäss Hope-Präsidentin Béatrice Pistor geht es um Hilfe zur Selbsthilfe, was schon bei einem ähnlichen Projekt mit aus Syrien geflüchteten Menschen erprobt wurde. Der Verein Hope leistete mit einem zinslosen Darlehen eine Anschubfinanzierung, unter anderem für die Miete der Räumlichkeiten.
Die sechs Vorstandsfrauen übten in ihrer Heimat in Buschta, Saporischija, Sumy, Kiew und Charkiw anspruchsvolle Berufe aus und haben teilweise Kinder im Primarschulalter. Auf Englisch erzählen sie, wie schwierig das Leben in der Schweiz für viele geflüchtete Menschen ist. «Wir möchten ihnen helfen, sich anzupassen und zurechtzufinden, damit sie sich in der Schweiz wie zuhause fühlen.» Gleichzeitig möchten sie der Schweiz für ihre Hilfsbereitschaft etwas zurückgeben. «Ich bin mit meiner Tochter vor den Bomben geflohen und froh um die Sicherheit. Doch mein Herz und meine Seele sind in der Heimat: beim Mann, den Eltern und unserem kleinen Hund», erzählt eine der jungen Mütter und eine andere erklärt: «Wir haben nicht nur unsere Sorgen, sondern auch viele Fähigkeiten und Talente. Diese möchten wir füreinander und insbesondere für die Kinder nutzen, weil diese wenig Kontakte mit anderen ukrainischen Kindern haben.»
Gegenseitige Hilfe und Unterstützung
Das Vorstandsteam hat viele Ideen und Pläne und arbeitet am Aufbau verschiedener Projekte. Die beiden Co-Präsidentinnen Viktoria Melnykova und Alisa Ryzhkova sind für die Kommunikation und die Deutschkurse verantwortlich. Für die Psychologin Katerina Pasko ist es wichtig, dass die traumatisierten Flüchtlinge durch gegenseitige Unterstützung auf ihre eigenen Ressourcen zurückgreifen und etwas verändern können. Sie hat deshalb ein Konzept für Gruppentherapien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erarbeitet und sagt: «Ich bin glücklich, hier zu sein und etwas Gutes tun zu können für Menschen, die es brauchen.»
Dasselbe betonen die Kolleginnen immer wieder. Svitlana Kucherenko weiss, wie hilflos und unsicher sich viele Frauen und Mütter im fremden Umfeld fühlen. Sie möchte deshalb vor allem Informationen zu den geltenden Gesetzen und Möglichkeiten vermitteln. Diese bezieht sie aus dem Netz und durch Kontakte. Unterstützt wird sie durch Hanna Shabanova. Die beiden Frauen kümmern sich ebenfalls um den Aufbau eines Shops mit Kleidern und anderen Waren zum täglichen Bedarf, der auch für geflüchtete Menschen aus anderen Ländern offen ist. Karolina Vozniuk führte in der Ukraine ein Kunststudio und sprudelt nur so vor Ideen, Kunst und Kultur zu vermitteln: z.B. Museumbesuche organisieren, den Schweizern die ukrainische Kultur näherbringen, ukrainische Feste feiern, Kreativ-Workshops für Kinder und Erwachsene anbieten, bei denen die Menschen ihr Herz öffnen können.
18. Mai 2022 – monika.fischer@luzern60plus.ch
Infos über den Club LUkraine und seine Angebote sind auf Ukrainisch und Deutsch auf der Website https://lukraina.ch zu finden.
Sie möchten dazu beitragen, dass sich die aus der Ukraine geflüchteten Menschen in der Schweiz wohlfühlen. Das Leitungsteam des Clubs LUkraina (v.l.): Katerina Pasko, Hanna Shabanova, Karolina Vozniuk, Svitlana Kucherenko (vorne), Victoria Melnykova und Alisa Ryzhkova.