«Unser Gesprächsangebot kommt gut an»: die Initiantinnen Eve Bino (rechts) und Sylviane Darbellay.
Wenn der Gesprächspartner fehlt
Diese Gratisnummer kann ein erster Schritt aus der Einsamkeit sein:
0800 890 890. Das Pilotprojekt «malreden» ist ein niederschwelliges Gesprächsangebot per Telefon. Anonym, vertraulich, kostenlos.
Von Beat Bühlmann
Der Telefondienst «malreden» sei kein Corona-Baby, sagt Eve Bino. Sie hat, zusammen mit der Betriebswirtschafterin Sylviane Darbellay, dieses unkomplizierte Gesprächsangebot im letzten Frühjahr als Pilotprojekt gestartet. Bereits vor Corona, während ihrer langjährigen Tätigkeit als Physiotherapeutin, war ihr immer wieder aufgefallen, dass viele ältere Frauen und Männer kaum mit anderen Menschen in Kontakt waren. «Für einige war ich die einzige Person, mit der sie regelmässig reden konnten», sagt Eve Bino. Mit der Corona-Pandemie hat sich die soziale Isolation für die ältere Generation zusätzlich verschärft.
«Die Idee funktioniert»
«Malreden» funktioniert ganz einfach. Täglich zwischen 14 und 20 Uhr können Frauen und Männer ab 60 Jahren über die Gratisnummer 0800 890 890 die betreute Hotline für einen ungezwungenen Austausch, zum Plaudern und Erzählen nutzen. Die Telefonpartner bleiben anonym, die Gespräche sind vertraulich. Seit dem Start Anfang April 2021 wurden über 1000 Gespräche geführt. «Die Idee funktioniert», sagt Eve Bino, «das Angebot kommt sehr gut an.» Wie stark dieser Telefondienst die Psyche älterer Menschen stärkt, könne sie aber noch nicht sagen, die vorgesehene Evaluation findet erst nächstes Jahr statt. Aufgrund der Rückmeldungen hätten diese Telefongespräche aber offenkundig einen positiven Einfluss auf die soziale und emotionale Befindlichkeit der Anrufenden. Jedenfalls werde man das Angebot über die Pilotphase hinaus weiterführen und allenfalls ab Frühjahr 2022 ganztägig anbieten. Die meisten der Anrufenden, so schätzt die Geschäftsleiterin, seien wohl über 70 Jahre alt und vorwiegend Frauen.
Für eine langfristige (Telefon-)Partnerschaft bietet «malreden» zusätzlich ein sogenanntes Tandem für jene Seniorinnen und Senioren an, die sich einen regelmässigen und verbindlicheren Austausch wünschen. Sie werden einmal die Woche von einem Telefonfreund oder einer Telefonfreundin mit ähnlichen Interessen oder Hobbys angerufen. «So entsteht eine langfristige Beziehung, die einem einsamen Menschen Halt, Struktur und Freude schenken kann», sagt Eve Bino. Auch diese Gespräche sind anonym und vertraulich. Für den Telefondienst sind derzeit gut 30 Freiwillige jeglichen Alters im Einsatz. Dazu zählen Studentinnen wie Rentner, die zweimal jährlich eine interne Schulung absolvieren (plus einen Halbtag für Tandems). Zudem finden begleitete Teamsitzungen und regelmässig eine Supervision statt.
Gespräche, aber keine Beratung
Im Gegensatz etwa zur «Dargebotenen Hand» versteht sich «malreden» nicht als Beratungsstelle, sondern als Angebot für einen ungezwungenen Austausch. Menschen, die «malreden» anrufen, sollen sich nach dem Gespräch «leicht, zufrieden und gestärkt fühlen», wie es im Konzept heisst. Bei Bedarf erhalten die Anrufenden aber Adressen für eine weitergehende Unterstützung und zusätzliche Informationen vermittelt. In einem Krisenfall werden spezialisierte Beratungsstellen oder Krisentelefone wie die «Dargebotene Hand» eingeschaltet. Das Projekt wird vom Verein Silbernetz Schweiz getragen, deren Präsidentin ist die Entwicklungspsychologin und bekannte Altersforscherin Pasqualina Perrig-Chiello.
Über die Weihnachstage, vom 24. bis 26. Dezember, sind die Telefonleitungen bei «malreden» während 12 Stunden offen, jeweils von 8 bis 20 Uhr. Auf Wunsch lesen die Telefonfreundinnen den Anrufenden eine kurze Geschichte vor.
14. Dezember 2021 – beat.buehlmann@luzern60plus.ch
malreden – ein Gesprächsangebot für Seniorinnen und Senioren