Die markante Kinderkapelle und das Kindergrabfeld standen am 18. September 2021 im Zentrum des Tags des Friedhofs im Friedental Luzern.

Mit Kindern übers Sterben sprechen

Der in der ganzen Schweiz organisierte Tag des Friedhofs möchte die Gesellschaft zur Auseinandersetzung mit dem Tabuthema Sterben/Tod anregen. Im Friedental in Luzern standen dabei die Kinder im Zentrum, ist es doch wichtig, diese bei einem Todesfall einzubeziehen.

Von Monika Fischer (Text und Bild)

Es waren nur wenige Besucher, die sich am kühlen Vormittag bei der Kinderkapelle am Nordrand des Friedentals Luzern eingefunden hatten. Pascal Vincent, Leiter Friedhof Stadt Luzern, hiess sie auch namens der beteiligten Vereine herzlich willkommen und stellte die 1899 erbaute Kinderkapelle vor. Diese war 1907 von Joseph von Moos mit Glasmosaiken ausgestattet worden. Das grosse Bild in der Mitte zeigt Christus, umringt von Kindern. Im linken Bild trägt der Vater einen kleinen Sarg, begleitet von weinenden Kindern, von Engeln und vom Tod als Sensemann. Im Bild rechts ist eine Gruppe von kranken und gebrechlichen Kindern abgebildet.

«Eine Bestattung im Kinderfeld ist immer sehr emotional», meinte der zweifache Familienvater. Mit seinen persönlichen Erfahrungen zeigte er auf, wie wichtig der Einbezug der Kinder bei einem Todesfall ist. Er war anderthalb Jahre alt, als sein Vater an Krebs starb. Bis er zwölf Jahre alt war, sprach niemand mit ihm darüber. «Es war ein Verlust, der mein Leben geprägt hat.» Erst in den letzten Jahren fand die Trauer um zu früh verstorbene Kinder die nötige Beachtung.  Drei Fachfrauen informierten über die Trauerverarbeitung und über Abschiedsrituale, die im Friedental für früh verstorbene Kinder angeboten werden.

Ein Himmel für die Sternenkinder

Die Spitalseelsorgerin Renate Förster berichteten vom Schmerz, wenn Eltern ihr Kind schon in der frühen Schwangerschaft verlieren oder ein Kind tot geboren wird. Es gelte, ihre Trauer ernst zu nehmen. Wichtig sei die Begleitung schon in der Frauenklinik, damit sich die Eltern mit einem Ritual von ihrem Kind verabschieden können. Ihre Kollegin Bettina Tunger-Zanetti zeigte auf, dass bei der Bestattung nach Möglichkeit auf die Bedürfnisse und Wünsche der Angehörigen eingegangen wird. Der Spitalschreiner schreinert kleine Särglein, in die die Kinder mit einem «Noscheli» oder Kleidchen gebettet werden. Einmal im Monat findet in der Einsegnungshalle eine Abschiedsfeier für früh verstorbene Kinder mit der Familie statt. Dabei können Eltern, Geschwister und Grosseltern ein Grablicht verzieren. Ein Angehöriger oder der Friedhofgärtner trägt das Särglein zum Kinderfeld. Dort wurden zuvor die kleinen Gräber mit einer blauen Folie mit goldenen Sternen ausgekleidet. Kinder verhalten sich meist ganz natürlich und lebendig. So hätte einmal ein Kind die weinende Mutter getröstet: «Du musst nicht weinen, hier hat das Brüderchen auch einen Himmel.»

Grosse Solidarität

Für Bettina Tunger-Zanetti ist es eindrücklich, wie oft die Kinder die Erwachsenen wieder zurück ins Leben führen. Sie berichtete von der Solidarität unter den betroffenen Eltern, auch wenn sie verschiedenen Religionen und Kulturen angehören. Manchmal seien Eltern aus verschiedenen Weltreligionen an einer Feier beteiligt. Ob christlich, muslimisch, buddhistisch, taoistisch: Die Familien können den Abschied mit Zeichen und Ritualen so gestalten, wie es für sie stimmt. Meistens nehmen sie auch passende Symbole mit, die eine Zeitlang auf dem Grab bleiben und später wieder abgeholt werden können. Gemäss Pascal Vincent werden die Gräber im Kinderfeld nie aufgehoben, es herrsche ewige Ruhe und Frieden.

Eliane Bieri erzählte von ihrer Arbeit als Intensivpflegefachfrau im Kinderspital Luzern, wo sie den Tod mancher zu früh geborener Kinder miterlebt hat. Dabei hat sie erfahren, dass Eltern und Geschwister mehr brauchen als Begleitung während der Zeit des Abschieds. Deshalb hat sie sich zur Familientrauerbegleiterin weitergebildet. 2016 wurde der Verein Familientrauerbegleitung gegründet, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Der Verein vermittelt Fachpersonen für die Beratung und Begleitung von Familien, für Fach- und Lehrpersonen.

Kinder einbeziehen und begleiten

Kinder reagieren bei einem Todesfall anders als Erwachsene. Oft wenden sie sich rasch wieder dem Spielen zu, meinte die Fachfrau. Dies zeige, dass sie das Geschehen nicht sofort begreifen können. Und doch hätten sie oft Schuldgefühle und könnten ihre Trauer nicht zeigen. Deshalb sei es wichtig, die Kinder einzubeziehen, damit sie lernen, zu begreifen und ihren Gefühlen Ausdruck geben können. Es gehe auch darum, Antworten zu geben auf ihre Fragen - und wenn man diese selber nicht habe - gemeinsam danach zu suchen. «Kindern kann man viel zumuten, sie brauchen jedoch Raum und Zeit.» Niemand sei zu klein, um zu trauern. Es gehe auch nicht darum, nach einem Todesfall stark zu sein, sondern wieder handlungsfähig zu werden und zu wissen, dass es anders wieder gut werden könne.

Pascal Vincent bestätigte: «Es kann wirklich wieder gut werden. Nur sollte es nicht zwölf Jahre dauern.» Mit diesen Worten lud er die Anwesenden zu einem Rundgang durch den Friedhof ein. Die Gäste konnten das Krematorium und die parkähnliche Anlage des alten Krematoriums besichtigen und den Kräutergarten des Vereins «Kräuterei» erkunden. Für Kinder bestand die Gelegenheit, in begleiteten Workshops ihrer Trauer Ausdruck zu geben.

 

Die Glasmosaiken von Joseph von Moos in der Kinderkapelle zeigen, dass Kinder mit ihrer Trauer und ihrem Leiden bei Christus aufgehoben sind.

28. September 2021 – monika.fischer@luzern60plus.ch