Dagmar Schifferli: «Den heranwachsenden Enkeln dürfen ruhig auch Schranken gesetzt werden.» Foto: Dagmar_Schifferli©zvg
«Probleme unbedingt rechtzeitig ansprechen»
Die Psychologin, Gerontologin und Schriftstellerin Dagmar Schifferli erläutert die Bindung zwischen Grosseltern und Enkeln und erklärt, worauf es ankommt, eine gute Beziehung zwischen den Generationen aufzubauen und zu pflegen.Interview: Eva Holz
Frau Schifferli, gibt es das ideale Enkel-Grosseltern-Verhältnis? Und: Ist ein solches – vor allem für die Grosskinder – überhaupt wichtig?
Wie bei allen Beziehungen gibt es natürlich auch hier keine Norm. Ob das Verhältnis zwischen den Generationen für alle bereichernd und positiv ist, hängt von allen Beteiligten ab. Oftmals rutscht man als Grosseltern einfach in die neue Rolle hinein und freut sich zutiefst über das neue Kind. Probleme sind zunächst weit weg, wenn sie jedoch im Laufe der Zeit spürbar werden, sollte man sie unbedingt rechtzeitig ansprechen.
In Sachen Betreuung gibt es offensichtlich zwei Lager: Die einen, insbesondere die Grossmütter, engagieren sich mit Haut und Haar in den jungen Familien, die andern wollen sich zu nichts verpflichten und helfen nur punktuell aus. Was ist Ihre Haltung dazu?
Zum Glück ist es nicht mehr wie in früheren Zeiten, als sich eine Grossmutter geradezu verpflichtet fühlte, sich um die Enkelkinder zu kümmern. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es die Tochter oder der Sohn so erwartete. Heutzutage können die Grosseltern mit Fug und Recht ihre eigenen Bedürfnisse berücksichtigen. Viele sehnen sich mit der Pensionierung ja geradezu nach mehr Freiheit und möchten diese nicht gleich wieder durch familiäre Verpflichtungen eingeschränkt wissen. Deswegen ist es unabdingbar, dass sich die Erwachsenen offen darüber austauschen, was sie in Zukunft voneinander wünschen und vor allem auch, wozu die Grosseltern bezüglich Kinder hüten gerne bereit sind. Auch sollte in einem solchen Gespräch deutlich gemacht werden, dass die Zusage der Grosseltern im Laufe der Zeit angepasst werden sollte, wenn zum Beispiel noch mehr Enkelkinder geboren werden, die Grosseltern gesundheitliche Probleme bekommen oder auch mal für längere Zeit verreisen möchten.
Umgekehrt: Darf man den Kontakt zu den Enkelkindern erzwingen? Es gibt ja auch jene jungen Eltern, die ihre Sprösslinge von den Grosseltern bewusst fernhalten.
Für Grosseltern, die sich um die Enkelkinder kümmern möchten, ist ein solches Beziehungsverbot sehr schmerzhaft. Sie haben sich auf die Kleinen gefreut, vielleicht auch schon das eine oder andere angeschafft, und nun ist kein Kontakt möglich. Wichtig scheint mir, dass die Grosseltern die Gründe dafür erfahren. Vielleicht ist die Beziehung zwischen ihnen und den eigenen Kindern aus früheren Zeiten sehr getrübt. Ich habe allerdings schon erlebt, dass diese alten Wunden heilen können, wenn sich die familiäre Situation durch ein Neugeborenes ändert.
Oft hört man, dass der Umgang mit den Enkeln einfacher, ja schöner sei als der einstige Alltag mit dem eigenen Nachwuchs. Eine meiner Freundinnen sagt etwa: Jetzt will ich nur noch verwöhnen, nicht mehr erziehen.
Diese Haltung ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Die Grosseltern haben die Enkelkinder jeweils nur stundenweise, vielleicht auch mal über Nacht bei sich, so dass die Kleinen ganz im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Man möchte alles tun, damit sie sich wohl fühlen. Dennoch müssten den heranwachsenden Enkeln auch Schranken gesetzt werden, angenehmes Verhalten vermittelt oder Wünsche abgeschlagen werden. Einen Säugling hingegen kann man nie zu viel verwöhnen.
Im Schweizer Magazin «Grosseltern» betreuen Sie eine Beratungskolumne. Mit welchen Fragen werden sie am meisten konfrontiert?
Häufig geht es um unterschiedliche Normen und Vorstellungen zwischen den Grosseltern und der nachkommenden Generation. Die Eltern tolerieren beim Kind etwas, was die Grosseltern aber ganz anders sehen. Beispiele sind etwa, dass das Zimmer nicht immer aufgeräumt werden muss, dass sie es nicht so schlimm finden, wenn die Kinder Schimpfwörter benutzen oder dass sie sich am Tisch nicht anständig verhalten. Ausserdem gelangen auch vermehrt Fragen bezüglich einer gesunden Ernährung an mich. Manchmal ist die Tochter oder der Sohn auch der Überzeugung, die Grosseltern kümmern sich intensiver um die Kinder ihrer anderen Geschwister.
Sie sind Mutter einer Tochter und haben drei Enkelkinder: Wie erleben Sie sich selbst als Grossmutter?
Ich mag die Rolle als Grossmutter sehr. Als die Kinder klein waren, kamen sie häufig zu uns. Inzwischen sind sie schon recht selbstständig, so dass sie ihre eigenen Aktivitäten mit Kindern aus der Schulklasse oder dem Sportverein bevorzugen. Die Besuche bei uns sind daher seltener geworden. Ich freue mich über ihre zunehmende Selbstständigkeit und Erweiterung ihrer Interessen. Unser Austausch erfolgt nun zunehmend elektronisch.
23.8.2021 - eva.holz@luzern60plus.ch