Es empfiehlt sich, das digitale Vermächtnis rechtzeitig zu regeln. 

Lebe ich im Internet weiter?

Ein grosser Teil unseres Lebens findet heute auch im Internet statt. Was passiert mit diesen Daten nach dem Tod? Rolf Kistler, Leiter Informatik von Viva Luzern, schafft einen Überblick.

Von Rolf Kistler (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Der Tod eines geliebten Menschen zieht für die Angehörigen viele Verpflichtungen nach sich. Neben dem materiellen Erbe muss auch die Ver­waltung des digitalen Nachlasses erledigt sein. An die persönlichen Daten auf einem Handy oder im Internet zu gelangen, ist aber schwieriger, als man denkt. Denn ohne die entsprechenden Benutzernamen und Passwörter hat man gesetz­lich kein Recht auf den Inhalt. Alle Erinnerungen wie Fotos oder Videos gehen somit verloren. Zugegeben, es ist nicht ganz einfach, in diesem «Datendschungel» die Übersicht zu behalten. Falls Sie es Ihren Nachkommen etwas einfacher machen möchten, auch Ihren digitalen Nachlass zu übernehmen, haben wir Ihnen nachfolgend ein paar Punkte zusammengetragen, auf die Sie achten sollten. Je früher desto besser.

E­-Mail­-Konten: Passwörter notieren
Fast alles läuft heutzutage über E-Mails ab – egal, ob in privater oder geschäftlicher Hinsicht. Auch die Passwörter der meisten Onlinedienste lassen sich am einfachsten über dieses Medium zurücksetzen. Damit wertvolle Daten möglichst problemlos an die Erben übergehen können, sollte der Erblasser bereits zu Lebzeiten einige Vorkehrungen treffen. Alle relevanten Passwörter sollten notiert und an einem sicheren Ort hinterlegt werden. Hier die wichtigsten Vorkehrungen bezüglich Ihrer E-Mail-Konten:

  • Notieren Sie sich sämtliche E-Mail-Adressen sowie die zugehörigen Passwörter. Am besten erstellen Sie eine ausgedruckte Liste, die Sie dann einer Vertrauensperson abgeben oder an einem sicheren Ort aufbewahren, der einem Angehörigen bekannt ist.
  • Falls Sie häufiger die Passwörter wechseln und diese nicht ständig auf der Liste anpassen möchten, wäre vielleicht ein sogenannter Pass­wortmanager hilfreich. Mit solchen Programmen muss man sich nur noch ein einziges Passwort merken, welches dann alle weiteren Passwörter entschlüsselt. In solchen Passwortmanagern können selbstverständlich auch alle übrigen Passwörter gespeichert werden, die über das E-Mail-Kennwort hinausgehen.
  • Neben Passwortmanagern gibt es weitere digitale Aufbewahrungsdienste, bei denen die Möglichkeit besteht, dass ein Berechtig­ter nach dem Tod die Zugangsdaten für das E-Mail-Konto erbt. Viele solche Dienste sind sogar gratis, wenn bloss eine Person als Be­günstigter gelten soll (z. B. securesafe.com).
  • Gewisse E-Mail-Provider bieten eigene Lösungen beim Tod des Kontoinhabers an. Eine Möglich­keit bietet hier z. B. der «Inaktivitätsmanager» von Google, bei dem man für seine Google-Konten eine persönliche Zeitspanne für die Inaktivität definieren kann. Nach Ablauf dieser Phase werden eine Reihe von Schutzmassnah­men ergriffen. Der Nutzer kann sogar bestim­men, welche Daten für eine Drittperson frei­gegeben werden sollen oder ob ein inaktives Konto automatisch gelöscht werden soll.
  • Bei Microsoft (z. B. Outlook, Skype oder One-Drive) ist die Lösung nicht ganz so flexibel. Hier muss ein sogenanntes Familienkonto eingerich­tet werden. Mit diesem kann man aber lediglich beispielsweise die Aktivität der Kinder oder die Sicherheit einzelner Geräte kontrollieren, leider aber keine weiterreichenden Berechtigungen definieren.
  • Swisscom empfiehlt konkret, dass man eine eigentliche Vertrauensperson bestimmt, welche im Falle eines Ablebens über die Zugangsdaten verfügt.
  • Falls die Verhältnisse komplizierter sind oder Sie nicht möchten, dass gewisse Inhalte von Ihren Erben gelesen werden, lohnt sich vielleicht die Einsetzung eines digitalen Willensvollstreckers. Dieser kann – gemäss Ihren Anweisungen – das E-Mail-Postfach in Ihrem Interesse verwalten oder nach einer definierten Zeit löschen.

Facebook im «Gedenkzustand»
In der Vergangenheit ist es leider oft passiert, dass auf den Social-Media-Profilen von Verstor­benen auch nach deren Ableben plötzlich noch Glückwünsche zum Geburtstag aufgetaucht sind. Um dies zu verhindern, bieten inzwischen die meisten Social-Media-Plattformen Möglichkeiten an, damit der Nutzer solche unschönen Überra­schungen schon zu Lebzeiten verhindern kann:

  • Bestimmen Sie zu Lebzeiten einen Nachlasskon­takt, der selber Mitglied bei Facebook ist. Dieser Kontakt kann nach dem Tod das Profil entweder dauerhaft löschen, deaktivieren oder es in eine Art «Gedenkzustand» versetzen lassen. Auch kann dieser Nachlassverwalter das Profil- und Titelbild aktualisieren, auf neue Freundschafts­anfragen reagieren oder einen fixierten Beitrag für das Profil erstellen. Beim Namen des Ver­storbenen wird automatisch «in Erinnerung an» vorangestellt. Facebook wird erst dann das Profil in den Gedenkzustand versetzen, wenn ein Freund oder enger Familienangehöriger ein An­tragsformular ausfüllt. Besprechen Sie mit dem Nachlassverwalter das Vorgehen sowie Wünsche bei der Profilpflege.

Google-­Einträge löschen
Im Verlauf unseres Lebens hinterlassen wir alle unzählige Spuren, die über eine Suchmaschine wie Google noch über viele Jahre oder gar Jahr­zehnte gefunden werden können. Dies kann sehr unschöne und oft auch schmerzhafte Erinnerun­gen wecken, zum Beispiel wenn der Witwer weiterhin von Personen, die nicht über den Tod seiner Frau infor­miert wurden, wegen deren ehemaligen Tätigkeit im Dorfverein kontaktiert wird.

Die erste Anlaufstelle für Löschungsanträge ist hier der Seitenbetreiber selbst. Hat der oder die Verstorbene selber eine Website unter­halten, wäre der Hosting-Provider zu kontaktieren. Falls dieser nicht bekannt ist, kann via www.nic.ch eruiert werden, bei welchem Anbieter die Website eingetragen wurde – in den allermeisten Fällen ist dieser Anbieter (auch Registrar genannt) auch der Hosting-Provider. Um Einträge in der Such­maschine selber löschen zu lassen, bietet Google ein Formular dafür an. Hierfür gibt man diejenigen Begriffe in der Suchmaschine ein, die eine Rele­vanz zur verstorbenen Person aufweisen (z. B. den vollständigen Namen). Nach Auflistung der unerwünschten Treffer muss sich der Antragsteller mithilfe eines Dokumentes ausweisen, damit für Google ersichtlich ist, in welcher Beziehung er zum Verstorbenen steht.

Onlinebanking: Bank sperrt Konten
In Bankangelegenheiten ist der Sachverhalt klar. Bei einem Todesfall sperrt die zuständige Bank in den meisten Fällen sämtliche Konten auto­matisch – bis sich die Erben via Erbschein aus­weisen können und alle mit der Aufhebung der Sperrung einverstanden sind.

Etwas kniffliger könnte es mit Online-Bezahldiensten wie PayPal werden. Oft wissen die Erben gar nicht, dass solche Konten existieren. Herausfinden kann man dies am einfachsten, wenn man Zu­gang zur registrierten E-Mail-Adresse hat, denn PayPal verschickt regelmässig Mails, in denen auf das aktuelle Guthaben hingewiesen wird. Wie bei «normalen» Bankbeziehungen können aber auch hier eventuelle Guthaben nur gegen Vorlage eines Erbscheins überwiesen werden.

Digitale Abonnemente kündigen
Die meisten digitalen Dienste (wie Netflix) laufen über Abos, welche über eine hinterlegte Kreditkarte abgerechnet werden. Falls Sie die Zugangsdaten wissen, kann man diese Services meist sehr einfach auf den nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen. Ansonsten hilft der Kundendienst weiter.

Und schliesslich der «Online­-Frühlingsputz». Im digitalen ist es meist wie im richtigen Leben: Im Verlauf der Jahre registrieren wir uns bei unzähligen Diensten. Viele davon werden aber oft nur kurzzeitig oder einmalig genutzt. Auch hier können Sie es Ihren Angehörigen einfacher machen, indem Sie sich ab und zu Gedanken darüber machen, welche Onlinedienste Sie über­haupt noch benötigen und ungenutzte Accounts fort laufend löschen. Streichen Sie nach Möglich­keit diese Daten auch auf Ihrer persönlichen Liste, damit diese immer aktuell bleibt. - 10.8.2021

 

Der digitale Nachlass – was gehört dazu? 

Immer häufiger hinterlassen Verstorbene neben den klassischen Erbschaftsgütern auch einen Nachlass digitaler Art. Dieser umfasst praktisch alles, was irgendwo gespeichert ist – egal ob auf einem Com­puter, einem USB­-Stick oder in einer so genannten Cloud (Daten, welche aus­schliesslich im Internet und nicht lokal ge­speichert sind). Oft ist dieser digitale Nach­lass grösser, als man denkt. Nachfolgend ein paar Beispiele:

- Foto-, Musik- und Videosammlungen, Social-Media-Profile (Facebook, Xing, LinkedIn, Instagram usw.)
 - E-Mail-Accounts
- Software-Lizenzen
- Texte und E-Books
- Digital verfügbare Pläne, Zeichnungen, Online-Vermögen (etwa bei PayPal)
- Streaming-Abonnemente (Netflix)
- Google-Einträge, Datingplattformen

 

Passwörter und Co. – wie regle ich das am besten?

Damit Sie Ihren Angehörigen die Arbeit in Bezug auf die digitale Willensvollstre­ckung erleichtern, ist es unerlässlich, selber den Überblick über Ihre Online-Ak­tivitäten zu haben. Die einfachste Lösung hierfür ist, eine Liste mit allen aktuellen Daten aufzustellen, solange Sie dazu in der Lage sind. Dafür eignet sich eine einfache ausgedruckte Liste, erstellt in Word oder Excel mit folgenden Punkten:

- Welche digitale Dienstleistungen nehme ich in Anspruch, wo bin ich registriert?
- Welche Benutzernamen und Passwörter verwende ich bei diesen Diensten?
- Wie lauten meine E-Mail-Zugangsdaten? Wie lauten die Zugangsdaten zu Computer, zu Handy, Tablet, Smartphone?
- Wer soll meinen digitalen Nachlass verwalten? Diese Vertrauensperson benötigt nach Ihrem Ableben Zugriff auf Ihre Passwortliste und muss gute EDV- und Internetkenntnisse besitzen. Dies kann zum Beispiel der gewählte Willensvollstrecker sein.

 

Rolf Kistler leitet die Informatik bei Viva Luzern. Vorher war er Forschungsgruppenleiter von Ambient Assisted Living (AAL) am iHomeLab der Hochschule Luzern. Er befasste sich vor allem mit einfachen, intuitiven und massentauglichen Lösungen für ein gutes und langes Wohnen zu Hause. Dieser Artikel zum Digitalen Vermächtnis erschien zuerst im Magazin «viva!»

rolf.kistler@vivaluzern.ch