Eingangshalle zum Heim Rubin: Gut möglich, dass hier in ein paar Jahren auch ein Spitex-Angebot oder ein Hinweis auf Vicino zu finden ist. Bild: René Regenass

Wohnraum, Spitex und Nachbarschaftshilfe: Ein Modell für das Alter

In der Stadt Luzern werden Weichen gestellt, um bezahlbaren Wohnraum für ältere Menschen und eine integrierte Versorgung mit Spitex und Nachbarschaftshilfe bereitstellen zu können. Das ist der wesentliche Inhalt einer Vorlage des Stadtrates an das Stadtparlament. Es handle sich um einen „Auftrag zur Prüfung“ dieser neuen Idee, sagte Stadtrat Martin Merki.

Von René Regenass

Auslöser dieser Arbeit ist eine im Grossen Stadtrat im April 2019 überwiesene Motion von Marco Müller und Korintha Bärtsch von der Grünen/Jungen Grünen-Fraktion. Sie verlangte, dass der Stadtrat aufzeige, wie in Luzern genügend bezahlbarer Wohnraum für ältere Menschen bereitgestellt werden könne.

5700 Personen über 65 brauchen 2045 eine Wohngelegenheit

In der Beurteilung der aktuellen Situation betreffend Alterswohnungen gelangt der Stadtrat zu Erkenntnissen. Die städtischen Alterswohnungen würden teilweise als zu klein beurteilt und sind sanierungsbedürftig. Die Hälfte sind 1- bis 1 ½-Zimmerwohnungen. Die Stadt rechnet bis 2045 mit einer Zunahme von 40 Prozent der über 65 Jahre alten Personen. Dies sind rund 5‘700 Personen mehr als heute. Entsprechend werde die Nachfrage nach altersgerechtem Wohnraum steigen (bezahlbar, gute Versorgung im Quartier und Anbindung an den öffentlichen Verkehr).

Der Stadtrat glaubt, der Wohnungsmarkt werde auf die steigende Nachfrage reagieren. Ob die neuen Wohnungen an geeigneten Standorten gebaut würden und ob sie für die ältere Bevölkerung bezahlbar seien, sei fraglich. Rund zehn Prozent der über 65jährigen Frauen und Männer in der Stadt Luzern sind auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Dies reiche für monatliche Mietzinse von 1‘325 Franken für einen Einpersonenhaushalt und von 1‘575 Franken für einen Zweipersonenhaushalt. Doch neue 2- und 3-Zimerwohnungen im normalen Wohnungsmarkt sind für dieses Geld nicht haben.

Um das in der Alterspolitik der Stadt mehrfach wiederholte Ziel, älteren Menschen ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben in der gewohnten Umgebung zu sichern, sei die Fragestellung aus einer ganzheitlichen Perspektive zu betrachten, schreibt der Stadtrat. Er hat deshalb Modelle erarbeitet, um der angestrebten Zielsetzung gerecht werden zu können.

Der Plan: Eine neue integrierte Organisation mit Viva, Spitex und Vicino

Das Modell, das er im Bericht und Antrag jetzt vorschlägt, strebt eine ganzheitlich „Integrierte Versorgung“ an. Konkret heisst das, dass die Stadt die städtischen Alterswohnungen einer „Integrierten Organisation“ übergibt, die als gemeinnützige Trägerschaft im Eigentum der Stadt konzipiert ist. Idealerweise handle es sich hierbei um die Anbieter Viva Luzern, Spitex Stadt Luzern und Vicino Luzern.

Dieses Modell habe das grösste Potential, schreibt der Stadtrat. „Viva Luzern ist eine stadteigene Organisation für den stationären Bereich, Spitex Stadt Luzern wirkt im ambulanten Bereich, und Vicino hat den Auftrag der Stadt zur Quartierarbeit für ältere Menschen.“ Mit ihrer organisatorischen Zusammenführung entstehe die Chance, in der stationären, ambulanten und vorgelagerten Altersversorgung eine gemeinsame Ausrichtung zu finden. Zudem bestehe mit der Übergabe der städtischen Alterswohnungen an die neue Organisation die Chance, dass sie als Treiber zum Ausbau des Angebots von altersgerechten Wohnungen wirke. Die Stadt habe mit den drei Organisationen eine Vision zur Integrierten Versorgung erarbeitet. Die Ergebnisse der Konzeptphase würden dem Stadtparlament im zweiten oder dritten Quartal 2023 unterbreitet werden.

„Im Grundsatz richtig“

Verena Stämpfli Meier leitet im Forum Luzern60plus die Arbeitsgruppe Betreuung und Pflege. Sie beurteilt das Projekt Alterswohnen integriert als „im Grundsatz richtig. Die Idee, alles aus einer Hand anzubieten, ist gut.“ Allerdings: der Kunde, also der ältere Mensch, müsse in der Stadt auch Zugang haben zu den privaten Playern, den privaten Heimen zum Beispiel. Und die Stadt müsste den Bau von Alterswohnungen deutlicher als Absicht formulieren.

Grossstadtrat Marco Müller (Grüne), der das Thema bezahlbarer Wohnraum für ältere Menschen mit einer im Sommer 2019 überwiesenen Motion zur Sprache gebracht hat, findet die Stossrichtung des Stadtrates mit der integrierten Versorgung und die Zusammenführung von Viva, Spitex und Vicino „eine gute Sache“. Was aber fehle, sei eine Auslegeordnung mit Analyse des Wohnungsbestandes. „Die Stadt muss sagen, in welchen Stadtteilen altersgerechte Wohnungen fehlen. Und die Stadt sollte auch private Wohnbauträger, zum Beispiel Genossenschaften, an die Erstellung von bezahlbarem Wohnraum erinnern.

Stadtrat Martin Merki sagte, die Stadt wolle Strukturen schaffen, welche den Bedürfnissen der älteren Menschen entgegenkämen. „Wir wollen diese Idee genauer ansehen und wir wollen alle Player mitnehmen.“ Rolf Krummenacher, der neue Verwaltungsratspräsident von Viva Luzern, begrüsst das Projekt. „Es ist sinnvoll, alles aus einer Hand anzubieten.“ Positiv bewertet wird das Vorhaben auch von Christoph Bürkli, Präsident der Spitex Stadt Luzern und von Christian Vogt, Co-Präsident von Vicino Luzern.

*************

„Ein zukunftsgerichtetes Modell“

Stellungnahme des Forum Luzern60plus

Das Forum Luzern60plus gehöre zu einer im Bericht genannten Resonanzgruppe, welche Rückmeldungen an die Projektleitung der „Integrierten Versorgung“ richten könne.

 

Das Thema Wohnen und Leben im Alter sei ein Schwerpunktthema, mit dem sich das Forum seit einigen Jahren befasse, heisst es einleitend. Und weiter: «Die «integrierte Versorgung», wie sie im vorliegenden B+A skizziert wird, ist aus Sicht des Forums ein zukunftsgerichtetes Modell, um den komplexen Anforderungen der Alterspolitik gerecht zu werden. Es entspricht dem Bedürfnis der älteren Bevölkerung, möglichst lange selbständig leben und wohnen und je nach Bedarf unterstützende Leistungen in Anspruch nehmen zu können bis zu einem reibungslosen Übergang zur stationären Pflege.»

Gute Wohnqualität im Alter setze eine Quartierpolitik voraus, die auch auf die Interessen und Bedürfnisse der betagten Menschen ausgerichtet sei, schreibt das Forum. Diese Generation solle nach Möglichkeit in die Gemeinschaft des Quartiers eingebunden sein. Und weiter: «Nebst der medizinischen Versorgung ist die dezentrale Versorgung mit verschiedenen Dienstleistungen und Gütern eine wichtige Voraussetzung für den möglichst langen Verbleib im Quartier. Soziale Treffpunkte und eine lebendige Nachbarschaft fördern die Teilnahme aller Menschen am sozialen Leben und die Inklusion in die Gesellschaft.»

Zum Thema «Wohnen im Alter» führt das Forum folgendes aus:  «Nebst den Alterssiedlungen der Stadt Luzern, die zum Teil einen höheren Sanierungsbedarf aufweisen, sollen in Zukunft vermehrt Generationenwohnsiedlungen, analog zur Siedlung «Himmelrich», realisiert werden. Was uns Sorgen bereitet, ist die Frage des bezahlbaren Wohnraums für ältere Menschen mit schmalem Budget. Im vorliegenden Bericht vermissen wir eine klare Strategie des Stadtrates, wie diesem wichtigen Bedürfnis in Zukunft nachzukommen ist.» Das sind Auszüge aus der Stellungnahme.

9. Juli 2021  rene.regenass@luzern60plus.ch