Deborah Renggli weiss ihr Glück zu geniessen. Mit dem gleichaltrigen Stefan teilt sie viele Interessen. Bild Eva Holz

Späte Liebe (3)

„Mitunter gibt es Köstliches zu erleben“

Deborah Renggli (geboren 1961), gelernte Krankenschwester und zweifache Mutter, wurde 2016 Witwe. Zwei Jahre danach fühlte sich die Luzernerin bereit, eine neue Beziehung einzugehen. Über eine Internetplattform lernte sie 2019 Stefan kennen, mit dem sie seither glücklich liiert ist. Der Weg dahin bescherte ihr allerdings einige spezielle Erlebnisse.

Aufgezeichnet von Eva Holz
 
"Mein Mann verstarb an einem schwerwiegenden Nierenleiden. Nachdem ich eine intensive Trauerphase durchlebt hatte,  erwuchs in mir der Wunsch nach einer neuen Partnerschaft. Trotz toller Freundinnen und einem guten Draht zu meinen Töchtern sehnte ich mich nach Zweisamkeit. Mit über 50 einen Partner zu finden, ist natürlich deutlich schwieriger als mit 20. Sehr viele Männer sind schon vergeben und man weiss gar nicht recht, wo man ungebundenen Menschen begegnen soll. Mir war deshalb schnell klar, dass eine online Dating-Plattform am ehesten weiterhelfen könnte. Meine zehn Jahre jüngere Schwester empfahl mir Tinder, worauf eine meiner Töchter einwendete: ‚Dort wollen doch alle nur Sex!‘  Im Nachhinein muss ich sagen: Jeder Zweite sucht dort tatsächlich primär Sex, gibt es aber zu Beginn nicht zu.

An einen neuen Partner stelle ich bestimmte Ansprüche. Auf jeden Fall muss er mich körperlich anziehen und er darf kein Raucher sein. Mein verstorbener Mann war Raucher und dies führte immer wieder zu unangenehmen Diskussionen.

Beim ersten Date war ich total nervös. In einem solchen Moment kann man einfach nicht spontan und relaxed sein. Ich traf mich mit einem gleichaltrigen Physiotherapeuten aus der Region zum Kaffee mit anschliessendem Spaziergang am See. Ein wirklich sympathischer Mann. Wir unterhielten uns prima, merkten aber beidseits schnell, dass da keine Funken sprühen würden und beliessen es bei dieser einzigen Begegnung.

Auf der Hut sein

Interessant ist, dass einige Männer beim Chatten sehr kommunikativ, ja witzig rüberkommen, beim persönlichen Treffen dann jedoch überraschend schüchtern sind. Andererseits machte ich auch eine  komplett gegenteilige, unschöne Erfahrung:  Schon nach einer halben Stunde Live-Gespräch versuchte mich ein Typ aufdringlich zu sich nach Hause zu locken. Als ich das ausschlug, wurde er barsch und machte sich aus dem Staub.

Ähnlich negativ war die Geschichte mit einem in England wohnenden Mann. Am Telefon wirkte er zunächst seriös und charmant, verlangte dann aber von mir, die Kosten für seinen Flug in die Schweiz vorzuschiessen. Das machte mich logischerweise stutzig und ich brach den Kontakt ab. Ein anderer, der mich sehr interessiert hätte, gab nach einer Weile zu, mehrere Frauen gleichzeitig zu daten und bat um Verständnis dafür. Das verletzte mich, denn ich hatte schon tiefere Gefühle für ihn entwickelt. In der Folge stieg ich aus diesem Wettbewerb aus.

Man muss schon auf der Hut sein – auch was die Altersangabe betrifft. Mitunter gibt es da Köstliches zu erleben. Über die Plattform E-Darling wollte ich mich mit einem vermeintlich fitten 56jährigen geschiedenen Mann treffen, der sich vor Ort aber als ungepflegter 76-Jähriger entpuppte.  Ach so, meinte er, das sei halt nun mal ein nicht mehr ganz aktuelles Foto.

Wer sich auf Plattformen begibt, muss auch mit anderweitigen Enttäuschungen umgehen können. Es kann gut sein, dass man sich selber verliebt in das Gegenüber, dieses aber kein weiteres Interesse bekundet. Das habe ich – wie bereits gesagt – auch durchgestanden. Umgekehrt hätte ein sehr netter, kultivierter Mann zu mir eine Beziehung aufbauen wollen, aber es hatte meinerseits zu wenig gefunkt.

Glück mit Zukunftsmusik

Jemanden zu finden, ist echt harte Arbeit. Ich pflegte mit vielen Kandidaten online Kontakt. Doch längst nicht jeder Chat führte auch zu einem persönlichen Treffen. Nach etlichen Anläufen hat es bei mir schliesslich geklappt!  Und dies innerhalb der relativ kurzen Zeit von eineinhalb Jahren. Ich weiss von Menschen, die über zehn Jahre suchten, bis sie ihr Glück fanden.

Schon sein Profil hat mich total angesprochen: Forstwart, naturverbunden, sportlich, gleich alt wie ich, geschiedener Vater von drei erwachsenen Töchtern und zweifacher Grossvater. Mit Stefan verstand ich mich von Anfang an. Wir verfügen beide über eine reiche Lebenserfahrung und können uns deshalb viel erzählen. Wir wandern gerne, lieben Brettspiele, fahren Ski und haben letzten Winter zusammen Langlauf gelernt. Da er ziemlich abgeschieden im Kanton Solothurn lebt und 100 Prozent arbeitet und ich in der Innerschweiz zu 80 Prozent bei der Spitex angestellt bin, beschränkt sich unsere Zweisamkeit auf Wochenenden und Ferien. Die örtliche Trennung fällt uns oftmals schwer und verunmöglicht spontanes Zusammensein. Aber das kann sich nach der Pensionierung ändern. Vielleicht ziehen wir dann zusammen. Und Stefan meinte neulich, ich müsse dann nicht in sein kleines Dorf zügeln, er komme mir gerne Richtung Stadt entgegen. Ist doch schön, nicht?“ 
26.4.2021

eva.holz@textbueroholz.ch

Diese Aufzeichnung ist auch im Magazin „active&live“ erschienen.