Zufriedenheit im Alter (1)
Was heute alles besser ist
Von Eva Holz
War es früher nicht gemütlicher, älter zu werden und alt zu sein? Oh nein. Die Zeiten haben sich deutlich zu Gunsten der aktuell Pensionierten gewandelt. Und an diesem Zustand wirken die jung gebliebenen Frauen und Männer selber tüchtig mit.
„Endlich 60!“ So betitelte eine Freundin die Einladungskarte für ihre Geburtstagsparty. Etwas verwegen doch. Oder gar zynisch gemeint? „Keineswegs“, erläuterte sie am Fest: „Im letzten Lebensdrittel nochmals neue Freiheiten anzupacken ist gewiss unbeschwerter als mit 20 das immense, unbekannte Feld zu beackern“. Ähnliches empfinden viele und die Wissenschaft belegt: Zufriedenheit und Gelassenheit nehmen mit steigendem Alter zu, ohne dass Neugier und Aktivität auf der Strecke bleiben.
Weniger Einsamkeit
Das war nicht immer so. Obwohl die älteren Menschen nach wie vor eine heterogene Gruppe in unterschiedlichen Lebenslagen sind, erlebt ein Grossteil der heutigen Pensionierten das Alter anders als frühere Generationen. Dank besserer Bildung, soliderer finanzieller Absicherung, mehr Aktivitäten und Selbstbestimmtheit, guter Beziehung unter den Generationen und umfassender Gesundheitsversorgung haben sich körperliches Wohlbefinden und Zufriedenheit der 65- bis 80-Jährigen klar verbessert. „Zu den immer wieder unkritisch aufgeführten Behauptungen gehört, dass Einsamkeit an Bedeutung gewann“, sagt der Schweizer Soziologe und Altersforscher François Höpflinger. Die Gesellschaft sei aber nicht anonymer und unsolidarischer geworden. Im Gegenteil. Zu einem ähnlichen Schluss kommt die 2017 durchgeführte „International Health Policy Survey“. Nach dieser Studie fühlen sich in der Schweiz etwa ähnlich wenige alte Menschen häufig einsam wie in Schweden oder Deutschland. Und: Wer mit seinem bisherigen Leben zufrieden ist, meistert die Herausforderungen des Alters leichter, als wenn noch unverarbeitete biographische Verletzungen vorliegen.
Generation eitel und aktiv
François Höpflinger spricht von einem „enormen Generationenwandel“ und vom „gesunden Rentenalter“ als sozialhistorisch relativ neue Lebensphase. Natürlich ist auch da nicht alles Gold, was glänzt. Zum Beispiel erfahren einige Menschen, dass ihr gesellschaftlicher Status direkt nach der Pensionierung sinkt. Im Weiteren bietet die auf jung getrimmte Lebensweise zwar viele neue Möglichkeiten, birgt aber den Zwang des „erfolgreichen Alterns“. Gerade Frauen agieren als Rentnerinnen sichtbar emanzipiert und erfüllen sich eigenständig ihre Träume. Gleichzeitig ist für sie Anti-Aging omnipräsent. „Wir befinden uns heute vermehrt im Spannungsfeld zwischen positiver Gestaltung mit Akzeptanz späterer Lebensjahre und einer Bekämpfung des körperlichen Alt-werdens“, erklärt François Höpflinger.Insgesamt scheine es nicht, dass wir das Alter akzeptiert haben, sondern dass es uns – mehr oder weniger erfolgreich – gelungen ist, Einschränkungen hinauszuschieben.
Da helfen unbestritten Hirntraining und Sport mit. Die heutigen pensionierten Frauen und Männer besuchen mehr denn je Kurse an der Seniorenuniversität und bei der Pro Senectute. Pasqualina Perrig-Chiello, emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie und Präsidentin der Vereinigung Schweizer Seniorenuniversitäten, bekräftigt: „Das Interesse an unseren Angeboten hat in den letzten Jahren merklich zugenommen.“ Und Vincent Brügger, Verantwortlicher für Bewegung und Sport bei der Pro Senectute Schweiz, weiss: „Der Anteil an sportlich aktiven älteren Personen ist bei uns sehr hoch. Die Kurse von Pro Senectute sind immer auch eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen.“
Zwei Stimmen ganz direkt
Wie beurteilen Seniorinnen von heute ihren Lebensabend ganz persönlich? Wir haben mit einer achtzigjährigen Luzernerin gesprochen. Lesen Sie im zweiten Artikel zum Thema «Zufriedenheit im Alter», was Beatrice Rotter nach der Pensionierung noch anpackte , was ihr nachhaltig Freude bereitet und womit sie auch ein bisschen Mühe hat.
(erschienen im Magazin active&live, Februar 2021)
26.02.2021 eva.holz@luzern60plus