FDP-Stadtrat Martin Merki geht nach zwölf Jahren in den Ruhestand. Bild: Joseph Schmidiger
«Wir haben gemeinsam viel erreicht»
Martin Merki war ein engagierter Stadtrat. Während zwölf Jahren prägte er die Sozialpolitik der Stadt Luzern und führte sie zum Erfolg. Mit 62 Jahren ist nun Schluss. Ein Blick zurück und in die Zukunft.
Interview Albert Schwarzenbach und Hans Beat Achermann
Bis Ende August wird Ihre Agenda fremdbestimmt. Vom 1. September an entscheiden Sie wieder selber, was Sie wo tun wollen. Wie gehen Sie damit um?
Martin Merki: Ich freue mich auf diese Zeit. Ich kann wieder die Themen aufgreifen, die ich möchte. Auf mich warten neue Aufgaben. So bin ich seit einem Jahr Präsident des Beirates der Weihnachtsaktion der Luzerner Zeitung und neu auch im Vorstand der Trägerschaft des Pflegeheims Unterlöchli. Ich war früher Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung. Diesen Faden möchte ich wieder aufnehmen. Als Historiker habe ich zudem ein Buchprojekt. Und ich koche sehr gerne.
Bei Ihrer Wahl wünschte ihre Partei, dass Sie die Baudirektion übernehmen.
Ich habe mich immer für gesellschaftliche Themen interessiert und würde mich deshalb als Sozialliberaler bezeichnen. Ich entschied mich deshalb für die Sozialdirektion, weil es dort um Gesellschaftsfragen geht, um unsere Zukunft. Wir behandeln Fragen von der Geburt bis zum Tod. Der Einsatz für Minderheiten wie Flüchtlinge ist ein urliberales Thema. Dass ich immer wieder hervorragend gewählt worden bin, zeigt, wie sehr meine Arbeit geschätzt wurde. Seit sechs Jahren bin ich auch für die Sicherheit zuständig.
Aber man hat nur wenig von Ihnen gehört.
Es ist nicht einfach, soziale Themen zu vermitteln. Vieles geschieht nicht auf der grossen Bühne. Wir haben in Luzern eine starke Zivilgesellschaft. Die Kirchen, Genossenschaften und Institutionen unterstützen uns stark und schaffen den Rahmen, damit unsere Projekte so gut umgesetzt werden können. So habe ich alle Vorlagen im Stadtparlament durchgebracht.
Und wie war es im Stadtrat?
Auch da stiess ich auf Verständnis. Ich setzte mich erfolgreich für die frühe Sprachförderung ein, warb für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und engagierte mich für Kinder und Jugendliche. Bei der Altersarbeit war die Verselbständigung der Heime das grösste Strukturprojekt der letzten 20 Jahre. Heute umfasst es unter dem Namen Viva Luzern rund 1000 Mitarbeitende.
Viva Luzern sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen. Millionendefizit, viele Mitarbeiterwechsel und Führungsprobleme.
Aus Sicht der Stadt Luzern und auch von Viva hat die Verselbständigung Vorteile gebracht: kürzere Entscheidungswege und umfassende Kompetenzen. Früher musste jede neue Küche in einem Heim vom Stadtparlament beschlossen werden, jetzt kann die neue Telefonie durch einen Beschluss des Verwaltungsrats angeschafft werden. Aber es ist schon so: Die Branche steht unter Druck. Es herrscht ein ausgeprägter Fachkräftemangel. Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen ernst und haben Ausbildungsbeiträge gesprochen und damit den ersten Teil der Pflegeinitiative zugunsten des Kantons umgesetzt. Was die Löhne betrifft, werden die Empfehlungen von Xund, dem Bildungszentrum Zentralschweiz, befolgt.
Wo stehen wir in der Alterspolitik?
Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Früher beschränkte sich, vereinfacht gesagt, Alterspolitik auf das Bereitstellen von genügend Betten. In den letzten Jahren sind neue Themen dazugekommen: die Generationenpolitik, die soziale Teilnahme im Alter, Quartierarbeit für ältere Menschen mit Vicino, der Aufbau einer Anlaufstelle für das Alter, die Einführung von Gutscheinen für selbstbestimmtes Wohnen im Alter. Die Hälfte der 95-Jährigen in der Stadt Luzern wohnt noch zu Hause. Zwei Leuchtturmanlässe stehen für die neue Alterspolitik: der Zwischenhalt für Leute auf der Schwelle zum Pensionsalter und der Marktplatz in der Kornschütte, an dem jedes Mal rund 30 Institutionen teilnehmen, bei denen sich ältere Menschen zivilgesellschaftlich engagieren.
Wo sind die Baustellen?
Unser grosses Anliegen ist, dass die Einwohnerinnen und Einwohner möglichst lange in ihrer gewünschten Umgebung bleiben und von unseren Dienstleistungen profitieren können – so beispielsweise bei präventiven Hausbesuchen und unseren Betreuungsgutscheinen, die schweizweit einmalig waren. In einer altersfreundlichen Stadt Luzern sollen sich alle Generationen wohl fühlen.
Ein grosses Projekt ist auch die Zusammenführung von Viva und Spitex.
Die Politik möchte das. Einer Weiterentwicklung der Alterswohnungen würde dieses Vorhaben zusätzliche Dynamik verleihen. Die Institutionen brauchen allerdings genug Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Der Prozess der Verselbständigung von Viva dauerte vier Jahre.
Wie beurteilen Sie das Forum Luzern60plus, das auch in Ihrer Amtszeit gewirkt hat?
Für mich war das ein wichtiger Echoraum. Anfänglich suchte es nach der eigenen Rolle. Heute ist das Forum etabliert und liefert gute Inputs, sei es durch Veranstaltungen, eigene Projekte und bei Vernehmlassungen. Meine Aufgabe war, den engagierten Leuten die Türe zu den anderen Direktionen zu öffnen.
Ist Alter nicht ein Tabuthema? Niemand möchte alt werden.
Wir haben Angebote für ältere Menschen geschaffen: Quartierzentren, Vicino, beim ÖV. Bei der Abgabe von Bauland schauen wir, dass ein Teil altersgerechter Wohnungen entsteht. Wo nötig, unterstützen wir. Ältere Menschen in der Stadt Luzern sollen möglichst selbstbestimmt älter werden können.
Welche Vision haben Sie?
Wir möchten eine hohe Lebensqualität in einer vielfältigen Stadt, die extrem fussgängerfreundlich ist. Eine soziale Stadt mit einem breiten Kulturangebot, mit Freiflächen und einem guten ÖV-Angebot.
Welchen Ratschlag geben Sie Ihrer Nachfolgerin Melanie Setz mit?
Die erste Zeit wird wohl im Zeichen der Kontinuität stehen. Noch in meiner Amtszeit entstehen zwei B+A zur Alterspolitik. Hängig ist eine Reihe von Vorstössen, die ich nicht mehr im Stadtparlament beantworten kann. Wir befinden uns in einem dynamischen Wandel. Dies ist Herausforderung und Chance zugleich.
25. Juni 2024 – albert.schwarzenbach@luzern60plus, hansbeat.achermann@luzern60plus