Auf Kirchbühl den Sensemann entdeckt
Es war ein eindrückliches Erlebnis auf Kirchbühl oberhalb Sempach, wo Kurt Messmer eine kulturhistorische Erkundung führte. Gegen sechzig Frauen und Männer, eingeladen von der Fachstelle für Altersfragen von Luzern, folgten den Worten des Historikers und Professors für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen.
Der Regennachmittag ist für die Beteiligten zum Erlebnis geworden. Bettina Hübscher von der Fachstelle hatte organisiert und eingeladen. Man fuhr mit dem VBL-Bus nach Sempach, dort übernahm Kurt Messmer die interessierte Gruppe, und vor der Rückfahrt bot ein kleiner Imbiss unter einem Scheunenvordach Gelegenheit zum lockeren oder vertiefenden Gespräch. Dazwischen sorgten Lea Mathys und Florian Respondek mit Stimme und Gitarre für ein kurzes Innehalten.
„Leben, Sterben und Tod im Wandel der Zeit“ – unter diesem Titel folgten die Teilnehmenden der Einladung. Schon im vergangenen Jahr haben zum Thema „Lebensreise“ mehrere Anlässe stattgefunden, damals noch im Rahmen des Projektes „Altern in Luzern“ von Beat Bühlmann organisiert.
Kurt Messmer, der Historiker, ist ein vortrefflicher Erzähler, der seine Zuhörer und Zuhörerinnen mit seinem immensen Wissen über kulturhistorische Zusammenhänge und Erinnerungen zu fesseln vermag. Man glaubt fast, er sei dabei gewesen, wenn er erzählt aus dem 13. Jahrhundert, als die Kirche von Sempach auf Kirchbühl ihre heutige Gestalt, ohne den 1583 erweiterten Chor, erhalten hat.
Leben und Tod sind sich nahe“, sagte Messmer irgendwann im Verlaufe seiner Reden. Es war irgendwie das Motto des Nachmittags. Da war zuerst Kirchbühl, das Dörfli mit seinen zum Teil sehr alten und mit Neuem ergänzten Wohnbauten. Das hat mit Leben zu tun. Dann das Beinhaus neben der Kirche, mit den eingemauerten Totenschädeln und gekreuzten Knochen – Ausdruck für den Tod. Messmer zitierte dazu alte Texte, Sprüche, die im Beinhaus gefunden worden sind. „Lerne Sterb en – da du ewig brennen wirst“ zum Beispiel. Ein derber Spruch, der einen zur Besinnung rufen sollte.
Das Aussergewöhnliche rund um Kirchbühl mit Kirche und Beinhaus sind die baulichen Veränderungen über rund 2000 Jahre. Denn die ersten Spuren einer Kirche gehen auf die Spätantike, auf das 2. und 3. Jahrhundert zurück. Sie ist die einzige in dieser Form erhaltene romanische Kirche im ganzen Kanton Luzern. Das Einzigartige liegt im kargen Baustil und an den bemalten Wänden in der Kirche, wobei die Malereien nur noch knapp erkennbar sind. Für Messmer ein „erbärmlicher Zustand“.
Und die Bilder reden, jene die man noch erkennen kann. Ein Beispiel nur: Schnitter Tod, der Sensemann ist da, eine Erinnerung an die Pest, die auch in dieser Gegend wütete. Zwanzig bis fünfzig Prozent der damaligen Bevölkerung seien gestorben, erzählte Messmer.
René Regenass – 4. Juli 2016
Bilder Alfons Ritler und René Regenass