"Wir wünschen uns solidarische Unterstützung, wenn im Alter die Kraft schwindet"
Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)
Die Idee entstand in privater Runde. Ein paar Frauen und Männer, viele ohne Kinder, fragten sich, wer ihnen denn im Alter zur Seite stehen könnte. "Gäll, wir schauen dann füreinander, wenn es bei uns soweit ist", sagten sie zueinander. Es blieb nicht bei schönen Worten. Vor drei Jahren gründete dieser Freundeskreis den Verein für Solidarität und Lebensqualität im Alter: SoLeAl. Heute gehören dem Verein 17 Mitglieder an, einige mit Kindern, im Alter von 56 bis 73 Jahren.
Gegenseitige Hilfe leisten
Präsidentin ist Bernadette Fischer-von Arx (69), Heilpädagogin und Psychotherapeutin. Sie ist verheiratet, hat aber keine Kinder - wie viele ihrer Bekannten. "Ich konnte meinen Eltern, die lange krank waren, zur Seite stehen - doch wer wird sich einst um uns kümmern?", fragte sich Bernadette Fischer-von Arx. Die Erfahrungen mit kranken, hilflosen und sterbenden Eltern hätten hautnah gezeigt, wie notwendig verwandtschaftliche oder freundschaftliche Unterstützung in den letzten Jahren des Lebens seien. „Die Vereins-Mitglieder wünschen sich solidarische Unterstützung durch nahestehende Personen, wenn im Alter die Kraft schwindet."
So gründeten sie, mit Unterstützung von Innovage, den Verein „Solidarität und Lebensqualität im Alter SoLeAl", und der bezweckt die "gegenseitige Hilfestellung und Fürsorge im Alter". Dabei gehe es weniger um direkte Pflegeleistungen, sagt die Präsidentin, sondern vielmehr um persönliche Kontakte, Unterstützung im Alltag oder um Care Management. Der Verein versteht sich als Selbsthilfegruppe, die auf der Basis von Loyalität und Solidarität funktionieren soll. Bewusst werden Einsätze den Vereinsmitgliedern nicht gutgeschrieben, wie das etwa beim Projekt Zeitgutschrift der Fall ist. "Das schien uns zu krämerisch", sagt Bernadette Fischer-von Arx.
Investition für eine optimale Lebensqualität im Alter
Was diese Fürsorge im Freundeskreis denn später konkret bedeuten könnte, wissen sie heute noch nicht so genau abzuschätzen; bis jetzt hat noch niemand Unterstützung beansprucht. Doch das kann sich schnell ändern. Ein Hirnschlag, die Diagnose Demenz oder ein dummer Unfall kann das Leben unversehens kompliziert machen - und das autonome Wohnen zu Hause in Frage stellen. Nachbarschaftshilfe ist nicht mehr selbstverständlich, die Familien sind zunehmend überfordert, der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt. Im Hinblick auf die wachsende Zahl der Hochaltrigen und dem alllenfalls drohenden Pflegenotstand sei es so oder so von Vorteil, wenn man sich auf ein persönliches Netzwerk stützen zu könne, sagt die SoLeAL-Präsidentin. "Wir verstehen dieses Engagement in Selbstverantwortung als Investition in eine optimale Lebensqualität im Alter."
Doch wie übt man den "Ernstfall"? Wie schafft man in einem Freundeskreis auf Vorrat Solidarität und Loyalität? Die Frauen und drei Männer der Selbsthilfegruppe, vorwiegend aus der Region Luzern, treffen sich monatlich zu einem Stamm und organisieren regelmässig gemeinsame Aktivitäten: Bergwanderungen, Kegelabende, Besuche von Ausstellungen, thematische Diskussionsrunden oder das Weihnachtsessen. "Das alles hilft, um Bindung in der Gruppe zu stärken", glaubt die Präsidentin. Doch ob die Selbsthilfegruppe später in der Praxis tragfähig ist, um hilfebedürftigen Mitgliedern beistehen zu können, werde sich erst noch zeigen müssen. Neue Mitglieder – vorzugsweise aus dem Bekanntenkreis der Mitglieder der bestehenden Gruppe - sind durchaus erwünscht. Sie sollten aber "zur Zeit des Eintritts gesundheitlich in der Lage sein, sich mit konstruktiven Beiträgen im Verein einzubringen", wie es in Artikel 4 der Statuten heisst. Oder anders gesagt: Wer seinen dementen Vater der Selbsthilfegruppe zur privaten Betreuung überlassen will, ist bei SoLeAl an der falschen Adresse. - 9. November 2017