«Über Unbehagen reden». Bild: pixabay
«Man muss den Mut haben, nachzuhaken»
Eine 55-jährige Mutter dreier erwachsener Kinder hat aus ihren Partnerschaften bezüglich Kommunikation wichtige Lehren gezogen. Einiges würde sie heute anders angehen. Im Folgenden ihre Reflexionen und Erkenntnisse.
Aufgezeichnet von Eva Holz
«Aus eigener Erfahrung weiss ich heute, dass man in der Partnerschaft ein Unbehagen zwingend auf den Tisch legen muss. Es kommt schlecht heraus, wenn man dem Frieden zuliebe nichts sagt.
Mein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis hatte mich jahrelang daran gehindert, in den Partnerschaften wunde Punkte anzusprechen. Das kennen wahrscheinlich viele andere auch. Man möchte nicht komisch oder mühsam sein. Und die grösste Bremse ist natürlich die Verlustangst. Was passiert nach einem solchen Gespräch? Wird mich der Partner womöglich verlassen? Ein solches Risiko wollte ich nicht eingehen und ich habe mir eingeredet, dass ja im Grossen und Ganzen alles toll sei.
Dass man sich nicht getraut, Probleme in der Beziehung zu diskutieren, hat sicher auch mit zu geringer Wertschätzung sich selber gegenüber zu tun. Man will dem anderen gefallen und seine uneingeschränkte Bestätigung. Ich dachte lange, die Superwoman spielen zu müssen, als Lebensgefährtin, als Mutter, als Köchin, als Berufsfrau, als Freundin. Und gleichwohl kam es mir vor, nicht an allen Fronten zu genügen. Mit dieser Haltung fällt es umso schwerer, eine Auseinandersetzung proaktiv anzugehen. Es ist die Angst vor dem Zusammenbruch des grossen Kartenhauses, wenn man eine Karte davon ins Wanken bringt. Über Unstimmigkeiten innerhalb des Freundinnenkreises zu reden, hat mir hingegen nie Mühe bereitet. Es ist also nicht so, dass ich es grundsätzlich scheue, Unangenehmes zu diskutieren. Aber klar, in einer Liebesbeziehung sind es andere Dimensionen.
Ab und zu versuchte ich schon, etwas anzutippen, in der Hoffnung, es ergebe sich daraus ein klärendes Gespräch. Aber ich konnte damit nicht landen. Ich hatte nicht den Mut oder die Energie, nachzuhaken statt einfach die Flinte ins Korn zu werfen. Umgekehrt muss ich zugeben, dass mein letzter Partner seinerseits einen Anlauf machte, auf den ich nicht eingegangen war. Er hatte mich sinngemäss gefragt, ob ich mit unserer Beziehung noch zufrieden sei, worauf ich entgegnete, es sei alles prima. Was auch stimmte, ich war glücklich mit ihm. Aber: Ich hätte hellhörig werden sollen und meinerseits nachfragen, was er genau meine. Wahrscheinlich wollte ich wiederum aus Verlustängsten nicht weiter bohren und lieber zur Tagesordnung übergehen. Das war natürlich nachlässig. Tatsächlich war mein damaliger Partner daran, sich innerlich von mir zu verabschieden, da er sich in eine andere Frau verliebt hatte. Wäre ich aufgrund seiner verklausulierten Frage auf ein tiefer gehendes Gespräch eingetreten, hätte das womöglich wichtige Dinge zu Tage gefördert. Für mich und für ihn. Und für uns als Paar.
Ich bin nun seit vier Jahren Single und habe viel über Beziehungen und auch über mich selber nachgedacht. Vieles ist mir klar geworden. Man darf eine Antwort oder eine Auseinandersetzung nicht scheuen. Aber man muss auch Dinge aushalten können. Es ist ja selten so, dass es zwischen zwei Menschen 100 Prozent Übereinstimmung gibt. Der eine reist gern, die andere nicht. Die andere liest gern, der eine nicht und so weiter. Solche Unterschiede scheinen mir normal und sollten akzeptiert werden können. Vielleicht hapert es manchmal auch dort. Dass man den andern so haben möchte, wie man selber ist. Aber das geht nun mal nicht. Und das könnte man ja mal in einem Gespräch auf die lockere Art festhalten und gutheissen. Solche Unterschiede können doch zu Freiräumen auf beiden Seiten führen, ohne dass deswegen die Beziehung ins Wanken gerät. Zudem muss man auch nicht immer in allen Belangen gleicher Meinung sein.
Was soll man durch Gespräche zu ändern versuchen und was muss man aushalten lernen? Hier die Balance zu finden, ist vielleicht die grosse Kunst in einer Beziehung.
Momentan komme ich alleine zufrieden durchs Leben. Einerseits bin ich selbstkritischer geworden, andererseits konnte ich mein Selbstbewusstsein stärken. Sollte mich das Glück der Liebe noch einmal streifen, werde ich Probleme, auch kleine, auf faire Weise thematisieren. Das ewige Jasagen ist doch überhaupt nicht spannend. Auch nicht für das Gegenüber. Ändern kann man aber nur sich selber. Auch wenn es anstrengend ist. Einer Freundin mit Verlustängsten würde ich raten: Bleib du selber, glaube an dich und deine Werte. Du darfst auch einmal etwas unbequem sein. Nur so hat eine Beziehung die Chance, gut zu wachsen. Wenn der Partner deswegen davon läuft, war es vermutlich nicht der Richtige.»
6. Februar 2020 – eva.holz@luzern60plus.ch
(Dieses Statement erschien auch im Magazin «active&live».)