Die Sitzungen des Luzerner Stadtparlaments sollen über Livestream mitverfolgt werden können.

 

Mehr Öffentlichkeit für das Stadtparlament

Es ist denkbar, dass man in Luzern in absehbarer Zeit die Verhandlungen des Stadtparlaments auf einem Livestream mitverfolgen kann. Regula Müller und Mario Stübi von der SP-Fraktion machen diesen Vorschlag in einem Postulat, das sich auf die einmalige Übertragung der Sitzung des Stadtparlaments vom 4. Juni bezieht. Das Anliegen stösst weitherum auf Zustimmung.

Von René Regenass (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Ein Livestream biete der Bevölkerung die Möglichkeit, den Sitzungen des Grossen Stadtrats beizuwohnen, ohne am Verhandlungsort anwesend zu sein, schreiben Regula Müller und Mario Stübi in ihrem Postulat. Somit erhalte eine weitere Personengruppe Einblick in die politischen Geschäfte und in die Entscheidungsfindung in der Stadt Luzern. Dadurch werde auch mehr Transparenz geschaffen und das politische Interesse geweckt. Vorteile ergeben sich auch für die ältere Bevölkerungsgruppe, die sich für Politik interessiert und nicht mehr so beweglich ist.

Zuerst Thema im Stadtrat
Zuständig für die Organisation der digitalen Übertragung einer Ratssitzung ist die Stadtkanzlei und damit der Stadtpräsident selbst. Doch Beat Züsli kann in der Sache nicht Stellung beziehen, weil – wie er auf Anfrage ausführt – der Vorstoss zuerst im Gesamtstadtrat diskutiert und seine Stellungnahme dann dem Grossen Stadttrat zugeleitet werden müsse. Die Exekutive werde dann innerhalb der gesetzten Frist von sechs Monaten das Postulat im Parlament beantworten. Gemäss Stadtschreiberin Michèle Bucher werde die Stadtkanzlei jetzt zuerst eine Auswertung des Livestreams vom 4. Juni vornehmen und die Erfahrungen anderer Städte einbeziehen.

In der Stadt Basel seit 13 Jahren üblich
In Basel werden die Sitzungen des Grossen Rates des Stadtkantons schon seit 13 Jahren über Livestream übertragen. Es war eine Pionierleistung; noch kein Kantonsparlament hatte vorher diesen Schritt gemacht. Eva Gschwind, die Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit der Parlamentsdienste, weiss Bescheid: „Im letzten Jahr haben wir das Kamerasystem erneuert und können die Ratssitzungen nun auf unserer Webseite in Full HD streamen. Seither ist der Livestream rückspulbar und steht auch nach der Sitzung zur Verfügung: http://grosserrat.bs.ch/de/service/web-tv  (nach unten scrollen). Es werden Name, Funktion und Fraktionszugehörigkeit der Sprechenden eingeblendet und auch Abstimmungsresultate sind zu sehen.“

Das Basler Angebot werde im Schnitt gleichzeitig von hundert Personen genutzt, wenn ein Thema stark interessiert sind es gegen 250. Oder bei Abendsitzungen, wenn jemand nicht mehr ins Rathaus kommen wolle. Ein weiterer Vorteil: Der Stream werde auch von Medienschaffenden oder Verwaltungsangestellten genutzt, schreibt Eva Gschwind, die sich lediglich für ein Traktandum interessieren und dieses nicht auf der Tribüne abwarten wollten.

Andreas Balthasar: Der Stream dient dem Dialog mit der Bevölkerung 
Der Luzerner Politik-Wissenschafter Andreas Balthasar von Interface-Politikstudien findet den durch einen Livestream geschaffenen Einblick in die Parlamentsarbeit „eine gute Idee“. So werde Transparenz hergestellt für die politischen Abläufe und für die Entscheidungsfindung. Die Möglichkeit sei auch sinnvoll, um den Dialog mit der Bevölkerung auszubauen. Die Frage des Aufwands, technisch wie finanziell, sei eigentlich nebensächlich. „Wenn die Idee politisch und gesellschaftlich als richtig erkannt werde, sollte die Technik kein Hindernis sein.“ Zudem wäre es auch denkbar, die Liveübertragung am Anfang auf wichtige und mit den Parteien ausgewählte Traktanden zu beschränken.

Positiv ist auch die Stellungnahme der Co-Präsidenten des Schweizerischen Seniorenrates. Die ehemalige Nationalrätin Bea Heim von Olten-Starrkirch sagt: „Die Übertragung erhöht die Möglichkeit der politischen Partizipation und die Transparenz. Auch Nationalratsdebatten können ja öffentlich mitverfolgt werden.“ So lägen die Argumente pro und kontra auf dem Tisch. „Und die Bürger und Bürgerinnen haben ein Anrecht darauf, zu hören, was die gewählten Volksvertreter und Vertreterinnen sagen.“

Angelica Ferroni: Eine Dienstleistung, welche die Position des Parlaments stärken wird.
Angelica Ferroni, Präsidentin des Forums Luzern6oplus, findet es eigentlich selbstverständlich, dass Luzern diesen Livestream einrichtet. „Es ist doch toll, wenn ich die Verhandlungen aus dem Parlament zu Hause mithören kann. Wenn dies auch zeitverschoben möglich ist, wäre es noch besser. Das Ganze ist eine Dienstleistung, welche die Position des Parlaments stärken wird.“

Das Vorgehen ist im Grunde genommen einfach. Über eine Kamera wurden die Verhandlungen, also die Voten des Grossstadträte und Grossstadträtinnen mit der Angabe ihres Namens aufgenommen und über ein Video zur Wiedergabe im Netz verbreitet. „Soland Medien“ erhielt von der Stadt den Auftrag, diesen Livestream mit Kameras, Ton, Mischpult und Übermittlungstechnik einzurichten. Hinter Soland Medien steckt Peter Soland, ein in Luzern erfahrener Journalist, der die Abläufe im Parlament bestens kennt.

7. August 2020 – rene.regenass@luzern60plus.ch