Die Souvenirs in der Vitrine wecken in Käthi Limacher Erinnerungen an ihre Geschäftsreisen.
Käthi Limacher:
Lebenslanger Einsatz für Frauen
Mit ihrem Durchsetzungsvermögen verschaffte sich Käthi Limacher, 84, als Geschäftsfrau im In- und Ausland Respekt. Zwischen ihren Reisen engagierte sie sich freiwillig vor allem gegen die Benachteiligung der Frauen. Zum Beispiel beim Aufbau der Frauenzentrale und des ersten Frauenhauses in Luzern.
Monika Fischer (Text und Bild)
Ihr Gang ist leicht gebeugt. Vom Alter, nicht vom Leben. Wegen einer Fehlbehandlung im Spital geht sie vorübergehend am Stock und bekommt regelmässig Therapien. «Ich will die Treppe wieder gut hochsteigen können, wohne ich doch im 2. Stock ohne Lift», erklärt sie. Seit 83 Jahren lebt sie in der gleichen Wohnung in Luzern. Als erwachsene Frau mit den Eltern in der gleichen Wohnung? «Es war eine gute Lösung, weil ich beruflich wochenlang im Ausland unterwegs war. Zudem konnte ich mich in mein Haus im Tessin oder in meine Wohnung auf der Rigi zurückziehen. Dafür habe ich hart gearbeitet und dabei im Gegensatz zu vielen anderen, die auch schwere Arbeit leisten, gut verdient.»
Gute Ausbildung
Von ihrem Vater, er war als Verdingbub aufgewachsen, hatte sie hautnah erfahren, was es heisst, am Rande der Gesellschaft zu leben. «Er hatte oft Tränen in den Augen, wenn er von seiner harten Kindheit erzählte.» Da er selber keine Ausbildung machen konnte, wollte er der einzigen Tochter - eine Schwester war nach der Geburt gestorben - eine gute Ausbildung ermöglichen. Sie hätte gerne Wirtschaft studiert. Da damals noch ein Schulgeld bezahlt werden musste, wollte sie die Eltern nicht zusätzlich belasten und absolvierte die dreijährige Töchterhandelsschule. Nachträglich sei es ein Vorteil gewesen, meint sie, da die Ausbildung stark auf Sprachen ausgerichtet war. Sie lernte diese leicht. Englisch, Italienisch und Französisch wurden zu ihren Alltagssprachen im Berufsleben.
Karriere als Geschäftsfrau
«Ich hatte grosses Glück, dass ich nach Diplomabschluss im April 1955 als junge Frau meine Stelle antreten und mit der Entwicklung der Importfirma Karriere machen konnte. Mein ganzes Berufsleben blieb ich bei derselben Firma, wurde Prokuristin, später Geschäftsführerin», freut sie sich. Sie war für den Import eines breiten Sortiments von Alltagswaren zuständig. Damit wurden Warenhäuser und Geschäfte beliefert. In ganz Europa besuchte Käthi Limacher Messen und war vier bis fünf Monate jährlich im Ausland unterwegs. «In Hongkong, Japan, Korea, Taiwan, auf den Philippinen usw. bestimmte ich bei Besuchen von Fabriken und kleinen Familienbetrieben auf dem Land das neue Sortiment. Mindestens 40mal war ich in Fernosten unterwegs, immer allein.» Sie schildert, wie ihr Chef sie als blutjunge Frau aufgefordert hatte, allein nach Japan zu reisen. Auf ihren Einwand, «ich habe noch nie gehört, dass eine Frau in Japan geschäftlich allein unterwegs ist», meinte er, «dann sind sie halt die erste.» Doch habe sie ihr Chef stets unterstützt und die Geschäftspartner aufgefordert, sie als westliche Frau respektvoll zu behandeln.
Sie könnte Bücher füllen mit ihren Erlebnissen und hatte immer wieder Glück. «Selbst in Japan, wo die Frau in der starken Hierarchie nichts zu sagen hat, habe ich mich durchgesetzt und mich auch für andere Frauen gewehrt. Einzig ein Designer nahm Weisungen von mir nie direkt, sondern nur über den Übersetzer entgegen. Dabei war er sehr charmant, verbeugte sich zehnmal und bedankte sich.»
Was die Frauen alles einstecken mussten!
Neben Ausbildung und anspruchsvollem Berufsleben engagierte sie sich schon früh politisch bei der JUSO. Für die Situation der Frauen wurde sie durch die Erfahrung einer Bekannten sensibilisiert. Diese leitete nach dem Tod ihres Mannes einen Betrieb mit vielen Angestellten. Sie war empört, dass sie im Gegensatz zu ihren Angestellten und selbst dem Lehrbuben politisch nichts zu sagen hatte. Käthi Limacher konnte auch nicht verstehen, warum ihre Mutter für die Eröffnung ihres Sparbuches die Unterschrift ihres Mannes brauchte. «Wenn ich daran denke, was die Frauen in all den Jahren einstecken mussten! Wenn etwas schief ging, wurde immer den Frauen die Schuld dafür zugeschoben», ärgert sie sich noch heute.
Raues politisches Klima
Lachend erzählt sie von den Argumenten, die sie in der 3. Sek. den Ansichten ihres Lehrers entgegensetzte, der im Staatskundeunterricht behauptete, die einzig richtige Stellung der Frau sei am Herd. Als Geschäftsführerin des Jugendparlaments organisierte sie schon im Vorfeld der Abstimmung zum Frauenstimmrecht 1959 einen Infoanlass mit Pro und Contra-Rednerinnen. Vor der Abstimmung 1971 vertrat sie das Pro-Komitee an vielen Infoabenden. «Es war mir wichtig, sachlich zu bleiben. Wohl deshalb wurde ich nie persönlich angegriffen und lächerlich gemacht.» Es sei damals viel härter politisiert worden als heute. Es habe Dörfer auf dem Land gegeben, in denen der Pfarrer alle Macht hatte und sogar von der Kanzel herunter gegen das Frauenstimmrecht wetterte.
Parteiübergreifendes Engagement
Die Erfahrung, wie Frauen unterdrückt und stillgehalten wurden, motivierte Käthi Limacher für ihr freiwilliges Engagement für die Förderung und den Schutz von Frauen. Sie war dabei, als 13 Frauenorganisationen im November 1961 die Frauenzentrale Luzern gründeten und arbeitete im Vorstand des Vereins mit, sechs Jahre als Präsidentin. In dieser Zeit trug sie mit viel Einsatz zum Aufbau des Frauenhauses Luzern bei.
Begonnen hatte es 1981 mit der Gründung des Vereins zum Schutz misshandelter Frauen und dem Aufbau eines Nottelefons. Sie berichtet vom Vorstoss beim Stadtrat Luzern. Er verlangte einen Bericht über die Anzahl von Meldungen von misshandelten Frauen. «Die Geschäftsführerin der Frauenzentrale, Margrit Liniger, erarbeitete den Bericht, der zeigte: Innerhalb von drei Monaten hatten sich 25 Frauen und 1 Mann wegen regelmässigen Misshandlungen gemeldet.» Die Frauenzentrale machte Vorschläge für das Konzept des Frauenhauses. Käthi Limacher war für die Finanzen zuständig und erstellte das Budget. «Der zuständige Stadtrat versprach, die Summe zu verdoppeln, wenn wir Frauen, die Hälfte der nötigen Finanzen zusammenbringen. Nicht nur das Fundraising erforderte viel Knochenarbeit. Ich führte auch viele Gespräche, um die feministischen, die linken und bürgerlichen Frauen aus 35 Organisationen auf eine Linie für das gemeinsame Ziel zu bringen.» Umso grösser war ihre Freude, als das erste Frauenhaus in Luzern 1984 eröffnet wurde. «Es war sofort randvoll, was das Bedürfnis bestätigte.»
Mit vielen Mitkämpferinnen aus jener Zeit verbindet sie seither eine Freundschaft. Es berührt sie, wenn sie von der Krankheit, dem Heimeintritt oder gar vom Tod einer der damals beteiligten Frauen erfährt.
Nationales Engagement
Käthi Limacher engagierte sich auch in nationalen Gremien. Sie arbeitete im Vorstand der SP-Frauen Schweiz mit und war 1965 bis 1991 Präsidentin der Genossenschaft Pressunion. Sie präsidierte ebenfalls die Stiftung für staatsbürgerliche Erziehung und Schulung. Diese war 1960 aus dem Reingewinn der Saffa, der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit 1958 dank unzähliger freiwillig geleisteter Arbeitsstunden vieler Frauen gegründet worden. Mit Genugtuung erzählt sie vom Buch der insgesamt vier Saffa-Stiftung, bei dessen Herausgabe sie mitgewirkt hatte. Die Unterlagen über ihr politisches Engagement werden im Gosteli-Archiv in Worblaufen, dem Gedächtnis der schweizerischen Frauenbewegung, aufbewahrt.
Heute noch arbeitet sie bei einer Stiftung mit, die bei Rechtsstreitigkeiten die Gerichts- und Anwaltskosten für Frauen übernimmt.
Aktiv auch im Alter
Nach ihrer Pensionierung arbeitete Käthi Limacher acht Jahre im ehemaligen Seniorenrat der Stadt Luzern mit. Wie sie es schon als Mädchen machte, wehrt sie sich, wenn ihr etwas nicht passt oder wenn ihrer Ansicht nach etwas nicht gut läuft, und handelt. Sie schreibt Briefe oder meldet sich bei den beteiligten Stellen.
Ebenso geniesst sie das Leben. Sie erzählt von den Kunstreisen, die sie früher in den Kompensationsferien nach der Rückkehr aus Fernost in Europa unternommen hatte, vom Skifahren, Langlaufen, Wandern und Bergsteigen. Ins Schwärmen gerät sie, wenn sie vom Besuch der Opernfestivals in Wien, Salzburg, Mailand Verona, Rom berichtet. Sie freut sich über das Zusammensein mit Freundinnen, geniesst gutes Essen und hofft, bald wieder besser auf den Beinen zu sein. «Doch bin ich mir bewusst, dass im Alter plötzlich alles ändern kann. Deshalb habe ich als Alleinstehende meinen Vorsorgeauftrag gemacht und alles Nötige geregelt.» Es stimmt sie nachdenklich, dass die Gleichberechtigung noch längst nicht erreicht ist und die Gewalt gegen Frauen eher noch zugenommen hat. «Umso wichtiger ist es, auch heute zusammenzustehen und sich gemeinsam einzusetzen.»
Luzern, 30. März 2021 - monika.fischer@luzern60plus.ch