Stadtbeobachter Louis Baume. 

«Junge kennen keine Betriebstreue mehr»

38 Jahre lang führte er an der Weggisgasse 21 ein Optikergeschäft. Seit seiner Pensionierung ist der 75-jährige Louis Baume Stadtbeobachter und verfolgt, was sich in der Altstadt tut. Und wartet mit überraschenden Ansichten auf.

Von Albert Schwarzenbach (Text) und René Regenass (Bild)

Leere Geschäfte: Ja, eine zweistellige Zahl von Lokalen steht leer. Branchenmix: Die inhabergeführten Geschäfte weichen Ketten, beliebte Cafés wie das «Flammer» oder das «Moc» gehören längst der Vergangenheit an. Es ist augenscheinlich: Die Altstadt kannte schon bessere Zeiten. Und, so wird moniert, die City-Vereinigung und die Behörden tun zu wenig, um den Trend zu kehren. 

Aus Dämmerschlaf erwacht
Zu vermuten wäre, dass der frühere Lokalpolitiker und heutige Stadtbeobachter Louis Baume, ein Titel übrigens, den er sich selber verliehen hat, in diesen kritischen Chor einstimmen würde. Aber nein, die jetzige Situation sei vorübergehend. In zehn Jahren werde die Altstadt blühen, die leeren Lokale seien wieder belebt und die Geschäfte schrieben mit kleineren Lokalen, aber dafür einem florierenden Online-Handel gute Umsätze. Eine Metzgerei gebe es zwar nicht, aber die Nachfrage nach Fleisch nehme im Vegan-Zeitalter sowieso ab. Für die städtische Wirtschaftsförderung findet er gute Worte, die City-Vereinigung sei im Gegensatz zu früher professionell geführt und der Quartierverein Altstadt nach dem Präsidentenwechsel aus dem Dämmerschlaf erwacht.

An Kette vermietet
Wer so spricht, ist nicht irgendwer, sondern einer der besten Kenner der Altstadt. 1983 hat Louis Baume das Optikergeschäft seines Vaters übernommen und es erfolgreich geführt, wenn er auch kein einfacher war, wie er selber sagt, der auch mal Kunden vertrieben hat, wenn sich die Beratungsgespräche zu sehr in die Länge zogen. Ketten wie Fielmann haben ihm zwar zugesetzt, und am Schluss hat er auf Rat seiner Frau das Glück erfolgreich mit teuren Sonnenbrillen für Touristen gefunden, doch er hat durchgehalten. Als die Pension anstand, hat der passionierte Detaillist sein Ladenlokal, ohne mit der Wimper zu zucken, einer Kette vermietet und sich damit einen finanziell sorglosen Ruhestand gesichert.

Hochschule attraktiver
An die Idylle mit Ladenbesitzern, die selber hinter dem Verkaufstisch stehen und auf eigene Rechnung Stammkunden bedienen, glaubt er nicht mehr. «Die Jungen kennen keine Betriebstreue mehr. Sie gehen dorthin, wo Trendprodukte angeboten werden.» Und überhaupt sei ein Job nach einer Ausbildung an der Hochschule weit attraktiver als die mühselige Arbeit im Detailhandelsgeschäft, wo Werbung, Buchhaltung, Schaufensterdekoration und Administration viel Zeit schluckten. Und dennoch bleibt er bei seinen optimistischen Prognosen.

Blick auf Taubenplage
Seinen Fokus richtet der Stadtbeobachter auf Missstände. Die Tauben, die das Paradiesgässli verschmutzen, das horizontale Gewerbe oder, so Louis Baume wörtlich, «die organisierte Kriminalität». Bei seinen Rundgängen steigt er gerne in der «Balances»-Bar («die Leute sind dort gut angezogen»), bei «Icilio» («um Intellektuelle zu treffen») und schliesslich beim gemeinen Volk im «Doorzügli» ab. Und stolz berichtet er, wie er zur Kontaktperson der Medien für Altstadtfragen geworden ist. Bei den Parteien tauscht er sich am liebsten mit der SP aus («Sie sieht die Probleme»). Die Grünen zeigten gute Ansätze, die Freisinnigen seien nicht ansprechbar und Grünliberale und die Mitte nicht präsent.

Wie auch immer: Die eigenwillige Persönlichkeit (Hobby: Reiten) wird nicht verstummen. «Mit mir als Stadtbeobachter ist noch zehn Jahre zu rechnen.» Die Altstadt wird es freuen.

27. Januar 2022 – albert.schwarzenbach@luzern60plus.ch