Betagtenzentrum Eichhof: Es fehlt die Führung, die auf das fähige Personal hört
Das Personal leidet unter den vielen Stellenwechseln. Es gibt erste Zeichen , dass die Geschäftsleitung von Viva den Ernst der Lage erkannt hat.
Von René Regenass
Der Auslöser: Im Herbst 2017 hat die Pflegeleitung des Betagtenzentrums Eichhof in Zusammenarbeit mit den Teamleitungen der einzelnen Abteilungen eine Situationsanalyse verfasst. Dieses Papier machte auf mögliche Gefahren bei dem von Zentrumsleiterin Judith Bieri wegen rückläufiger Bettenbelegung eingeleiteten Stellenstopp aufmerksam. Bieri hat die Leitung des Eichhofs Ende Juli 2018 nach 18 Monaten abgegeben – wegen unterschiedlichen strategischen Vorstellungen, wie Viva kommunizierte. In einem Interview kurz nach Stellenantritt sagte Bieri zum Thema der Personalfluktuation: „Wir müssen die Leitenden in ihrer Führungsaufgabe unterstützen. Es braucht da manchmal etwas Phantasie.“ Mit dieser Einschätzung traf Bieri eigentlich ins Schwarze.
Zurück zum Auslöser: Monica Basler (57), von Februar 2016 bis Januar 2018 Leiterin Pflegedienst im Eichhof: „Wir wollten mit diesem Papier Mitarbeitende und Bewohner schützen. Es enthielt Überlegungen, auf welche Leistungen im Pflegealltag wir verzichten könnten, ohne den Bewohnerinnen zu schaden. Wir haben auf Gefahren im Hinblick auf einen möglichen Stellenabbau hingewiesen.“ Zum Artikel in der Zentralschweiz am Sonntag vom 5. August zu diesem Thema sagt Monica Basler: „Die Aussagen sind aus dem Zusammenhang gerissen. Von einer Minuten-Dusche steht kein Wort in diesem Papier.“
Monica Basler hat ihren Arbeitsplatz im Januar verlassen. Warum, lässt die Führungs- und Pflegefachperson offen. „Die Gründe sind mit Viva besprochen. Für mich ist die Sache gut abgeschlossen worden.“ Was Monica Basler auch noch sagte: „Der Eichhof ist ein grosses Ding. Das ist anspruchsvoll für alle. Und die Umstellung von einem städtischen Betrieb zu einem Viva-Unternehmen ist eine Herausforderung im Hinblick auf die Personal- und Organisationsentwicklung. Viva ist ein guter Arbeitgeber.“
Personal und Zahlen: Bei Viva Luzern, der gemeinnützigen AG, welche die Heime und Alterswohnungen 2015 nach einer Volksabstimmung mit vielen Nein-Stimmen (rund 36 Prozent) von der Stadt übernommen hat, arbeiten aktuell 1150 Frauen und Männer und 160 Lernende. In den Heimen und Pflegewohnungen stehen 900 Pflegeplätze zur Verfügung.
Im Betagtenzentrum Eichhof (300 Mitarbeitende) ist es offensichtlich sehr schwierig, nach Abgängen leitende Stellen mit Fachkräften neu zu besetzen. Aktuell sucht Viva für den Eichhof vier leitende Personen: Einen Leiter Zentrale Dienste und STV der Betriebsleitung, eine Teamleiterin für eine gemischte Pflegeabteilung, eine Pflegeexpertin, eine Teamleiterin Pflege für den Nachtdienst. Offen sind auch zwei Stellen für diplomierte Pflegefachkräfte.
Rekrutierungsstopp wegen rückläufiger Bettenbelegung – das ist eine nur wirtschaftlich zu begründende Massnahme auf dem Buckel des Personals. Dazu gibt es kaum Fachkräfte, die sich auf ausgeschriebene Stellen melden. Stress wegen zu wenig Personal gibt es nach der Aussage einer Mitarbeiterin auch im Betagtenzentrum Staffelnhof in Littau, wo einem Bewohner von einer befristet angestellten Pflegefachfrau versehentlich Insulin gespritzt worden ist (siehe Zentralschweiz am Sonntag vom 12. August). Eine Teamleiterin, nicht vom Staffelnhof, sagt dazu: „Mit temporär Angestellten wird das Risiko von Verwechslungen noch grösser. Es bleibt ja auch keine Zeit, die aufwändigen Kontrollen durchzuführen.“
Vergleiche hinken oft, sagt man leichthin. Und trotzdem liegt der Gedanke nahe: Stress und Geld sparen beim Personal, aber Ausbau mit Spitzensalären auf der obersten Kaderebene. Geschäftsleiter Beat Demarmels verdient im Jahr 242‘000 Franken, nach einer Lohnerhöhung um zehn Prozent im Dezember 2016, ein Jahr nach der Auslagerung der Heime von der Stadt in die gemeinnützige Aktiengesellschaft. Und seit Januar 2016 hat die AG Viva drei neue Mitglieder für die jetzt sechsköpfige Geschäftsleitung angestellt: Gianna de Cello, Leiterin Personal (Ersatz für Claudia Kessler), Patricia Infanger, Leiterin Pflege und Gesundheit, Jan Kess Kram, Leiter Hotellerie und Wohnen.
Leitbild und Alltag – Stimmen von innen: „Lebensfreude ist keine Frage des Alters, sondern der Lebensqualität. Genau dies bietet Viva Luzern seinen Bewohnerinnen und Bewohnern in ihrem neuen Zuhause. Dazu gehören grosse Wahlfreiheit und einen respektvollen Umgang miteinander.“ (Leitbild AG Viva)
Obwohl Viva gegenüber dem Personal ein Redeverbot erlassen hat, haben wir recherchiert und dabei mit einigen Personen gesprochen. Eine Pflegefachperson sagt: „Es heisst immer, der Eichhof sei das grösste Heim. Die grosse Personalfluktuation nimmt man einfach hin. An einzelnen Abteilungen ist der Wechsel enorm. An andern, zum Beispiel in der Palliativ-Abteilung gibt es kaum Wechsel. Das Kader im Eichhof hat sich in den letzten zwei Jahren drastisch verändert. Es gibt gute Leute, die nach acht oder auch zwölf Jahren gegangen sind. Das müsste doch auffallen. Aber niemand interessiert sich dafür.“
Eine andere Fachperson: „Es hat bis jetzt keine Sparmassnahmen gegeben, die sich auf die Bewohnerschaft ausgewirkt haben. Es gibt sehr viele offene Stellen. Und die Stellenanzeigen täuschen noch, weil oft über eine einzige Anzeige mehrere Personen gesucht werden. Wo schaut denn die Führung hin, wenn so viel Leitungskraft verloren geht? Es gibt zu wenig Unterstützung für die Mitarbeitenden. Von Joel Früh, der jetzt vorübergehend die Betriebsleitung im Eichhof übernommen hat und Gespräche führt, habe ich einen guten Eindruck.“
Viva-Geschäftsleiter Beat Demarmels sagt, man wolle jetzt im Eichhof mit der Präsenz von Joel Früh und Gianna de Cello, Leiterin Personal, ein Zeichen setzen. „Wir nehmen die Situation mit den vielen Stellenwechseln ernst.“ Zu den Gründen verweist Demarmels unter anderem auf die Differenzen mit Zentrumsleiterin Judith Bieri, die den Eichhof Ende Juli verlassen hat. „Wir haben Stillschweigen vereinbart. Es hat einfach unterschiedliche Auffassungen gegeben. Die Differenzen führten u.a. zu Stellenvakanzen.“ Einwand: Es hat schon unter dem früheren Eichhof Leiter Marco Borsotti viele Stellenwechsel gegeben. Beat Demarmels bestätigt dies. „Borsotti führte ein straffes Regime. Wir führten schon damals Gespräche, um die Situation verbessern zu können.“
Ein Kommentar
Nach dem Beitrag in der Zentralschweiz am Sonntag kam das Redeverbot für das Eichhof-Personal. Wir zitieren aus der Weisung: „Wir weisen Sie darauf hin, dass Mitarbeitende keine Medienauskünfte geben.“ Diego Yanez, Direktor des MAZ Luzern sagt dazu, dass Unternehmen die Kommunikation über die Medienstelle kanalisierten, sei Standard. Erst recht in Krisensituationen. Das sei aus der Sicht des Unternehmens nachvollziehbar. Yanez sagt aber auch, der recherchierende Journalist müsse sich die Freiheit herausnehmen, trotzdem mit Mitarbeitenden zu sprechen. Und die so gewonnenen Informationen entsprechend deklariert zu publizieren. – Genau dies haben wir hier getan. Trotzdem weckt ein Redeverbot schlechte Gefühle. In einem gut geführten Betrieb, wo positive und negative Vorfälle entsprechend deklariert werden, braucht es kein Redeverbot.
Das Betagtenzentrum Eichhof hat keinen guten Ruf, nicht erst seit Viva dran ist, aber jetzt besonders. Und das schadet allen: Vorab dem Personal, das sich nach aussen verteidigen muss und das unter den vielen Stellenwechseln leidet. Und fähige Leute melden sich gar nicht mehr auf Stelleninserate. Bleibt die Hoffnung, dass die Geschäftsleitung endlich ihre Mitverantwortung für die Stellenbesetzung wahrnimmt. Und wäre es denkbar, dass sich diese Person mit den guten Führungsleuten im Eichhof, die es auch gibt, solange nicht alle davon laufen, vorher abspricht? - Ein Ansatz immerhin ist sichtbar: GL-Mitglied Joel Früh führt in diesen Tagen Gespräche mit den Mitarbeitenden. Und er kommt offensichtlich an damit. Hoffentlich hört er dabei auf jene Wenigen, die zum Teil seit Jahren auf Missstände in der Führung hingewiesen haben, aber nicht gehört wurden.
René Regenass- 13. August 2018