Cécile Bühlmann. Bild: Joseph Schmidiger

Warum Kamala Harris meine
Gemütslage verbessert hat

Von Cécile Bühlmann

Seit Kamala Harris die oberste Politbühne der USA betreten hat, geht es mir besser. Das bleierne Gefühl, das der Wahlkampf zwischen Joe Biden und Donald Trump vermittelt hatte, war wie weggeblasen. Ihr Eintritt in den Wahlkampf hat eine Dynamik entwickelt, die den Glauben an eine bessere Zukunft zurückgebracht hat. Das hat auch mich positiv beeinflusst.

Als politisch interessierter Mensch nehme ich regen Anteil am Geschehen in den USA. Obwohl es in vielen Gegenden der Welt auch wichtige und folgenschwere politische Vorkommnisse gibt, haben die Ereignisse in den USA eine ungleich heftigere Auswirkung auf meine Gemütslage. Ich lebe den amerikanischen Wahlkampf emotional fast gleich intensiv mit wie den in der Schweiz. Nur noch die deutschen Wahlen gehen mir emotional ähnlich nahe.

Seit Kamala Harris im Rennen ist, ist diese Beklemmung weg und es macht wieder Freude!

Ganz offensichtlich geht es nicht nur mir so. Die gleiche Erleichterung verursachte Harris Wahlkampfeintritt bei allen meinen Freundinnen und Bekannten. Ich kenne persönlich keinen einzigen Menschen, der lieber Trump als Harris im Weissen Haus haben möchte.

Das hat mit den Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft auf die Weltpolitik zu tun. Auch wir als europäisches Land würden diese massiv zu spüren bekommen. Die MAGA-Manie (Make America Great Again) verheisst umgesetzt, dass die USA vor allem an sich selber denken und ohne Rücksicht auf Verluste den Rest der Welt sich selber überlassen würden. Oder noch schlimmer, mit Potentaten wie Putin, Kim Jong-un oder Orban würde Trump sehr wohl dealen wollen. Mit Xi Jinping würde er sich ein gefährliches Duell liefern, wer der Grössere von beiden ist.

Allein seine vollmundige Aussage, dass er den Ukraine- und den Gaza-Krieg in einem Tag beenden würde, muss doch alle einigermassen vernünftigen Menschen entweder zum Lachen oder zum Verzweifeln bringen. Und ein solcher Mensch soll Präsident des wichtigsten Landes in der westlichen Welt werden? Ein Graus! Überhaupt ist das grosse Ego Trumps kafkaesk: Für ihn gibt es keine tollere Show, keine bessere Fernsehdebatte, keine grössere Menschenansammlung als die, bei der er die Hauptrolle spielt.

Ich kann beim besten Willen jemanden nicht ernst nehmen, der so egoman und unflätig auftritt und so unverfroren lügt. Ich kann nicht glauben, dass jemand, der so viel Unsinn verbreitet, alle Sinne beisammen hat und in der Lage sein soll, eine gute Politik für die amerikanische Bevölkerung zu machen. Kurz und gut: Ich zweifle an Trumps Zurechnungsfähigkeit und würde ihm nie die Geschicke eines Landes anvertrauen.
 
Dass ihm eine so grosse Zahl amerikanischer Wähler und Wählerinnen trotzdem die Stimme geben will, ist für mich eines der grossen Rätsel unserer Zeit. Warum sie diesem Angeber alles durchgehen lassen, vom Leugnen demokratisch ermittelter Wahlergebnisse über den Sturm aufs Kapitol bis zu all seinen Betrügereien und seiner Frauenfeindlichkeit, bleibt mir unerklärlich.

Ich bin immer noch beflügelt von der Aussicht, dass die gescheite und integre Kamala Harris die erste amerikanische Präsidentin wird. Ich hoffe immer noch, dass sie es schaffen wird, trotz der zwei Handicaps, die sie aus Sicht weisser patriarchaler Amerikaner hat, nämlich Frau und schwarz zu sein. Immer wieder, wenn ich lese, dass ihre Wahl überhaupt noch nicht sicher sei, dass es knapp werden könne, verzweifle ich fast. Und ich erinnere mich dann an die halbe Depression, die mich überkam, als 2016 Donald Trump statt Hillary Clinton die Wahl gewann.

Dieses Gefühl, den Boden unter den Füssen zu verlieren und in ein schwarzes Loch zu stürzen, werde ich nie vergessen. Ich hoffe inständig, dass sich so etwas nicht noch mal wiederholt. Aber es geht nicht um meine Befindlichkeit, es geht um die globalen Auswirkungen einer solchen Wahl. Wie ich oben beschrieben habe, wären die schlimm und unsere ohnehin gefährdete Welt geriete in eine noch viel gefährlichere Lage. Hoffentlich bleibt das uns allen erspart.   

29. September 2024 – cecile.buehlmann@luzern60plus.ch


Zur Person
Cécile Bühlmann ist in Sempach geboren und aufgewachsen. Sie war zuerst als Lehrerin, dann als Beauftragte und Dozentin für Interkulturelle Pädagogik beim Luzerner Bildungsdepartement und an der Pädagogischen Hochschule Luzern tätig. Von 1991 bis 2005 war sie Nationalrätin der Grünen, zwölf Jahre davon Fraktionspräsidentin. Von 1995 bis 2007 war sie Vizepräsidentin der damals neu gegründeten Eidg. Kommission gegen Rassismus EKR. Von 2005 bis 2013 leitete sie den cfd, eine feministische Friedensorganisation, die sich für Frauenrechte und für das Empowerment von Frauen stark macht. Von 2006 bis 2018 war sie Stiftungsratspräsidentin von Greenpeace Schweiz. Sie ist Vizepräsidentin der Gesellschaft Minderheiten Schweiz GMS. Seit 2013 ist sie pensioniert.