Hansruedi Täschler
Hans-Ruedi Täschler: Ein Kämpfer
für den „See für alle“
Von Hanns Fuchs (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)
Es gibt wenige Menschen, die nach einem langen Leben auf bleibende Werke und Werte blicken können, an denen sie selbst massgeblich mitgewirkt haben und die vielen Menschen nützlich sind. Der Luzerner Lehrer und Sportsmann Hans Ruedi Täschler, Jahrgang 1932, gehört zu ihnen.
Der Lehrer
Nach dem Lehrerseminar in Luzern wurde Hansruedi Täschler gleich einer pädagogischen Härteprüfung unterzogen – er übernahm eine 5./6. Bubenklasse im St. Karli- Schulhaus. Das waren damals bis zu 50 Schüler, vornehmlich die stadtweit bekannten „harten Jungen“ von der Bern- und Baselstrasse. Täschler kam mit ihnen gut zu recht. Das wurde offenbar auch „oben" registriert und geschätzt. Jedenfalls wurde der junge Lehrer sehr bald an der Oberstufe eingesetzt. "Mein Anliegen war es, bei diesen oft schulmüden oder von der Schule enttäuschten Jugendlichen das Interesse an einer Berufslehre zu wecken", erinnert sich Hansruedi Täschler an diese Zeit. Als er 1957 mit der Turnlehrerin Ella Bühlmann am Brienzersee getraut wurde, tauchte überraschend eine 4-er-Delegation seiner ersten Oberschulklasse auf. Die Jungen waren frühmorgens mit dem Velo über den Brünig geradelt, um im Namen der ganzen Klasse ihrem jungen Lehrerpaar einen Toaster als Hochzeitsgeschenk zu überreichen. Mit dem „Werkjahr“, einem damals freiwilligen 9. Schuljahr, übernahm Täschler Mitte der 60-er Jahre eine Pionieraufgabe. Es galt, die Jugendlichen auf den Einstieg in eine Berufslehre vorzubereiten. Im Gegensatz zu heutigen, überschwänglichen Lehrplänen blieb der Werkjahr – Lehrplan sachlich: Er orientierte sich an den Anforderungen der Gewerbeschule und der Lehrbetriebe. In Werkstattblöcken unterrichteten z. B. Berufsleute aus Gastgewerbe-, Maler -, Maurer-, Holz-, Metall- und Forstbetrieben. Ihre Beobachtungen im praxisnahen Umfeld deckten Begabungen auf, warnten aber auch vor Fehleinschätzungen. Und es war auch Schweiz weit wahrscheinlich die einzige Volksschulklasse mit sechs Turnstunden pro Woche. „ Die Burschen haben eingesehen, dass wir auch Theorie büffeln mussten. Sie haben sehr gut mitgemacht, aber ich wusste auch, dass sie rechtzeitig Bewegung und frische Luft brauchten." Sport als Charakterschulung hatte im Werkjahr einen hohen Stellenwert.
1980 wechselte Täschler an die Gewerbeschule und übernahm dort nochmals eine neue Aufgabe: Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz wurde eine zweijährige Anlehre eingeführt. Aus seinen Erfahrungen im Werkjahr wusste Täschler, wie extrem wichtig eine geregelte und gezielte Ausbildung für Jugendliche war, die trotz allen Anstrengungen den Schritt zur Lehre nicht schafften. Als Abteilungsleiter Anlehre setzte sich Täschler dafür ein, dass auch mit diesen Jugendlichen wichtige Fragen ihres jungen Lebens und ihrer Arbeit in der Gewerbeschule angesprochen wurden. Am Ende der Ausbildung forderte Täschler die Jugendlichen jeweils auf, auch seine Arbeit zu benoten. Ein junger Mann, sehr positiv eingestellt, in seiner Freizeit jedoch verliebt in ein kleines, sorgfältigst gepützeltes Auto, wurde vom angefressenen Velofahrer Täschler, für den Autos bloss Transportmittel waren, hie und da deswegen ein bisschen gefoppt. Er schrieb: "Sie waren ein guter Lehrer! Man konnte mit Ihnen über alles reden, nur nicht über Autos ...!“
Zu Täschlers pädagogischen Grundhaltungen gehörte auch, dass er auf die Anbiederung bei seinen Schülern verzichtete. "Ich habe ihnen engagiertes Wohlwollen und Verständnis entgegen gebracht, aber ich war auch der Schulmeister mit Betonung auf Meister, der bewusst und gezielt die Verantwortung für eine gute Schulung übernommen hat."Die Schüler dankten es ihm, seine Mischung von Verständnis und natürlicher Autorität hinterliess bei manchem einen nachhaltigen Eindruck – sie machten ihren Weg als erfolgreiche Berufsleute und erinnern sich heute noch an Täschler als ihren „besten Lehrer“.
Lehrer – das war für Hansruedi Täschler nicht einfach ein Job, das war seine Berufung. Das spürt man auch heute noch, wenn man mit ihm über diese Zeit spricht. Die aktuellen Entwicklungen im Bildungswesen verfolgt und kommentiert er kritisch. In einem Leserbrief in der Luzerner Zeitung (der dann auch in einer Bildungsbeilage der NZZ zitiert wurde), kritisierte Täschler: «Im dauernden Aushecken neuer Methoden, Systeme und Strukturen scheint man im Bildungsdepartement zu vergessen, dass dies alles Rahmenbedingungen sind und dass der Kernpunkt jeder guten Schule nicht das System, sondern das menschliche Format der Lehrperson ist, die fähig sein muss, Akzeptanz, Vertrauen und Respekt der Jugendlichen zu gewinnen, und die das Engagement und die Kreativität hat, ihre jeweilige Klasse optimal auf die nächste Stufe vorzubereiten.»
Der Politiker
Im Quartier und bei der Elternschaft seiner Schüler hatte Hansruedi Täschler bald einen klingenden Namen. Stadtweit bekannt wurde er, als er in die Politik einstieg. Auf der Liste der sozialdemokratischen Partei wurde er auf Anhieb mit einem Spitzenergebnis in den Grossen Stadtrat gewählt. «Es gab für mich nichts anderes als die SP», erklärt Täschler den Entscheid, «mein Vater war schliesslich Gewerkschafter.» Lang hielt er es allerdings nicht aus in der Politik und im Stadtparlament. «Nach einer Legislatur trat ich ernüchtert zurück.» Zu viel Gerede und zu wenig Taten, für einen ergebnisorientierten Macher vom Zuschnitt Täschlers. Die Spur, die er in der kurzen Zeit seiner parlamentarischen Arbeit legte, war gross, und sie ist bis heute sicht- und erlebbar: die Ufschütti, der Seepark am Alpenquai, der heute zu den stolzen Visitenkarten der „lebendigen Stadt“ Luzern gehört und auch von Behördenvertretern gerne vorgezeigt wird.
Bis über die Mitte des letzten Jahrhunderts war der Alpenquai zwischen Warteggrippe und Seeverlad ein bauliches Konglomerat von Kleinwerften, Bootshütten und Werkstätten. Die Remisen zwischen Seebadeanstalt beim Seeverlad, den Freibädern I und II und „Schwimmclub-Badi“ machten den Alpenquai zum Abenteuerareal für die Jungmannschaft und zum nahen Erholungsgebiet für die Bewohner der dicht bebauten linksufrigen Stadtquartiere.
Der Bau des Sonnenbergtunnels für die Stadtumfahrung der Autobahn N2 veränderte den Alpenquai für immer. Denn als kostengünstige und nahe Deponie für den Tunnelaushub wurde der See am stadtnahen linken Ufer gewählt. So entstand die Aufschüttung, die «Ufschütti». Offen waren zu Beginn der 1970er Jahre noch Gestaltung und Nutzung des neuen Areals am See. Dem Stadtrat schwebte ein linksufriges “Lido“ vor, ein vollausgebautes, eintrittspflichtiges Garten- Strandbad inklusive beheiztem 50m-Schwimmbecken. "Ausgerechnet dort, wo die Wasserqualität im ganzen Seebecken am besten ist", findet Hansruedi Täschler die Schwimmbecken-Idee auch heute noch unverständlich.
Die Begeisterung über den stadträtlichen Vorschlag war gross und breit. Hansruedi Täschler allerdings war der Preis für die neue Nutzung am Alpenquai zu hoch, finanziell und ideell: «Warum Schulden machen, die nicht nötig sind?» fragte er im Abstimmungsflugblatt, und «Warum ein landschaftliches Bijou im Zentrum der Stadt einzäunen (...) Ist das sozial?»
Täschler stand mit seiner Kritik in Stadtparlament allein. Selbst seine sozialdemokratischen Fraktionskollegen und die POCH mochten seinem Plädoyer für den freien, kostenlosen Zugang zum See auf der Ufschötti nicht folgen. Das Volk hingegen schon: in der Abstimmung vom Juni 1976 erlitt der Stadtrat mit seinen Alpenquai-Vorlagen eine krachende Niederlage: Die Strandbad-Variante wurde mit 12787 gegen 6546, das Schwimmbecken mit 14734 gegen 4449 Stimmen versenkt.
Für manch einen wäre der Erfolg an der Urne ein verlockender Einstieg in die Politik gewesen, nicht für Hansruedi Täschler. Eine zweite Legislatur hielt es ihn nicht im Parlament. „Der Kampf für die freie Ufschötti hat sich gelohnt“, sagt Täschler rückblickend, „aber ich habe auch gemerkt, dass ich nicht für die Politik geeignet bin.“
Der Sportsmann
Hansruedi Täschlers politisches Engagement fürs freie Seeufer am Alpenquai hat direkt zu tun mit seiner Leidenschaft für den Sport. Sie und die Begabung fürs Musizieren und Zeichnen haben ihn ein Leben lang geprägt. Vielleicht sollte man korrekter sagen: Leben und Sport war und ist für ihn eins. Wobei er Sport versteht als Bewegung in der freien Natur. Bergsteigen, Klettern, Skitouren, Langlauf, Weitwandern, Velotouren und wochenlange Kanufahrten, nicht zuletzt in Kanada, und schliesslich noch Rudern waren und sind seine Sportarten. Zum Rudern kam er als «Spätberufener» und eher durch Zufall. Er hatte mit Kameraden zu einer Skitour abgemacht - «aber das Wetter war so schlecht», erinnert er sich, «dass Ruedi „Trello“ Spöring meinte, es wäre doch gescheiter, zum Rudern aufs Wasser zu gehen.» Spöring, muss man wissen, war zu seiner Zeit ein Luzerner Spitzenruderer, Mitglied im legendären „Lecco-Blitz“ des RC Reuss. Täschler, ein Bewegungstalent und physisch topfit, machte seine Sache im Ruderboot so gut, und der Sport gefiel ihm, dass zu Hansruedi Täschlers Multisport-Palette eine neue Disziplin dazukam. Und wenn HRT etwas anpackt, dann macht er es richtig und mit vollem Engagement. Im Ruderclub Reuss wurde er bald zu einem begehrten Bootskameraden, und für die Anfänger im Breitensport ein begabter Lehrmeister. Auch hier hat Hansruedi Täschler seine Spur hinterlassen: Er konzipierte und schrieb ein Lehrmittel für Ruderer im Breitensport. Sein Perfektionismus in Technik und Bewegungsablauf und sein pädagogisches Talent auch als Ruderlehrer schufen für unzählige Ruderbegeisterte die Grundlagen für gutes Rudern und damit auch für ein gelungenes Rudervergnügen. Seine Anleitung „Ökonomisch rudern“, ein Lehrmittel für den Breitensport-Ruderer, ist inzwischen ein Standardwerk. Für Hansruedi Täschler als aktiver Ruderer war die Krönung in der für ihn neuen Sportart der Sieg im Master-Achter an der Schweizer Meisterschaft auf dem Rotsee. Damit und mit seinem Lehrmittel verschaffte er sich Anerkennung und Respekt auch bei „altgedienten“ ehemaligen Rennruderern.
Auf „seinem“ See, der Luzerner Bucht des Vierwaldstättersees, wurde ihm das Gedränge der Motor- und Touristenboote schliesslich zu gross – er „floh“ auf den ruhigeren Sarnersee in seiner zweiten Heimat Obwalden. Dort hat er ob Giswil in ungezählten Freitzeitstunden mit eigener Hände Arbeit ein «Alphüsli» geschaffen, ein Refugium in der stillen Bergnatur für sich und seine Familie.
14. Dezember 2019
hanns.fuchs@luzern60plus.ch