Dank dem Gutschein ein neuer Fernseher für die sehbehinderte Ida Keller. 

„Ich kann hie und da im Restaurant essen,

damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt"

Von Beat Bühlmann (Text) und Helen Amberg (Bild)
Im Rahmen des Pilotprojekts „Gutschein für selbstbestimmtes Wohnen" hat die Stadt Luzern der sehbehinderten Ida Keller ermöglicht, dass sie ein- oder zweimal im Monat auswärts essen kann. Das stärkt die soziale Integration.

Gespannt wartet Ida Keller* unter der Türe auf den Besuch. Sie ist eine offene, neugierige Frau, 86 Jahre alt, kontaktfreudig, liebenswürdig und gewitzt. Die Lippen hat sie mit einem frechen Rot geschminkt. Sie bietet einen Kaffee an, auf dem Tisch steht ein Teller mit Gebäck. Ihren Unmut hält sie aber nicht zurück. „Der Fernseher funktioniert nicht", ärgert sie sich, noch bevor wir Platz genommen haben, „das Einzige, das mir die Welt in meine Wohnung bringt." Denn die Zeitung zu lesen, vermag sie schon lange nicht mehr. Sie ist stark sehbehindert, ihre Sehkraft liegt unter 20 Prozent.

Frau Keller wohnt in einer kleinen Wohnung der Siedlung Rank, einem Wohnangebot mit Dienstleistungen von Viva Luzern. Sie kocht, wäscht und bügelt selber, zum Putzen kommt einmal die Woche die Spitex. Die Stadt Luzern hat ihr im Rahmen des Pilotprojekts „Gutschein für selbstbestimmtes Wohnen" Coupons im Wert von je 35 Franken zugesprochen, damit sie ein- oder zweimal im Monat auswärts in einem Restaurant essen kann – und so nicht vereinsamt. „Das ist grandios", sagt Ida Keller. „So kann ich hie und da im Restaurant essen, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt." Ihr bevorzugtes Lokal ist das „Bahnhöfi", wo sie von jungen, freundlichen Leuten bedient werde. Ohne Gutschein könnte sie sich das gar nicht leisten. Die ehemalige Krankenschwester, Mutter von drei Kindern, hat immer gearbeitet, aber in so kleinen Pensen, dass sie nie einer Pensionskasse beitreten konnte. Sie lebt von der AHV und kann eine Ergänzungsleistung beanspruchen.

„Ich brauche den Kontakt zu anderen"
Obschon Frau Keller stark sehbehindert ist, verlässt sie die Wohnung regelmässig. „Ich brauche den Kontakt zu anderen Menschen, damit es mir gut geht." Sie habe ja den weissen Stock, den sie aus der Ecke holt und uns vorzeigt. Mit dem fühle sie sich sicher unterwegs. Kürzlich unternahm sie einen Tagesausflug nach Caslano bei Lugano. „Morgens nach acht Uhr fuhr ich in Luzern ab, abends um acht Uhr war ich wieder zu Hause", erzählt die 86-Jährige. Doch ohne SBB-GA, das sie sich zusammengespart hat, würde sie kaum ausser Haus gehen. „Tickets am Automat kaufen oder Fahrpläne lesen, ist mir nicht möglich", sagt sie. So kommt es, dass sie zuweilen an Orten landet, wo sie eigentlich gar nicht hinwollte. „Das macht aber nichts", sagt sie, „ich komme immer wieder zurück."

Wenn sie zu Hause ist, sitzt sie oft vor dem Fernseher. Dank dem Gutschein der Stadt Luzern und mit Unterstützung der Pro Senectute konnte sie sich einen neuen, grossen Fernsehapparat kaufen. Mit Nachmittagsserien, Schlagern und Volksmusik kann sie allerdings nicht viel anfangen. Sie bevorzugt Reiseberichte, Tagesschau und Jazzmusik. „Die Gutscheine sind eine tolle Idee", sagt sie, „denn ich geniesse es sehr, in der eigenen Wohnung leben zu können." Das TV-Gerät brachten wir am Schluss wieder zum Laufen – zum Vergnügen von Frau Keller. -Name geändert. 16.1.2020
beat.buehlmann@luzern60plus.ch

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