«Wenn es den Patientinnen und Patienten gut ging, war ich zufrieden», sagte der pensionierte Hausarzt Urs Auf der Maur im Gespräch mit Heidi Müller an einer «L'Après-Midi»-Veranstaltung.
Erfüllt leben und gelöst sterben
«Menschen im Alter sind ambivalent. Sie möchten gehen – und doch jede Behandlung in Anspruch nehmen, wenn sie krank sind», sagt der Arzt Urs Auf der Maur. Wie können wir leichter gehen?Von Monika Fischer (Text und Bild)
«Komplexe Entscheidungssituationen am Lebensende: Freiheit und Zumutung», lautete der Titel der «L'Après-Midi»-Veranstaltung der reformierten Kirche Anfang März im Lukassaal. Ausgangspunkt war die Realität, dass heute wegen der medizinischen Möglichkeiten das Lebensende immer wieder hinausgeschoben werden kann. Früher oder später müssen wir uns entscheiden, ob wir bei einer potenziell tödlich verlaufenden Krankheit dem Sterben seinen Lauf lassen oder uns für lebensverlängernde Massnahmen entscheiden. Was hilft, diese Fragen zu klären und Entscheidungen zu fällen?
Im Gespräch mit der ehemaligen Pfarrerin Heidi Müller erzählte der Arzt Urs Auf der Maur von seiner 28 Jahre dauernden Berufstätigkeit als Hausarzt in einem Team mit familiärer Atmosphäre, in dem er auf gleicher Ebene stand wie die Angestellten. Die Begeisterung für seinen Beruf ist noch immer spürbar. Wichtig seien für ihn die Gespräche gewesen, für die er sich Zeit nahm. Durch die jahrelange Begleitung kannte er die Patientinnen und Patienten samt ihren Wünschen und Bedürfnissen. Dies war hilfreich im Umgang mit existentiellen Entscheiden. Wenn möglich habe er sie in der letzten Lebensphase fast täglich zuhause besucht und zusammen mit ihren Angehörigen unterstützt.
Gute Begleitung gibt Sicherheit
«Wichtig ist die Präsenz, einfach da zu sein, und im Hinblick auf die taktilen Reize vielleicht die Hand zu halten», sagte er und erzählte von einem ehemaligen Musikfreund, den er mitsamt Musik begleitet hatte. Bei einem anderen Freund hatten sie noch einmal dessen Lieblingsessen gemeinsam genossen. Seine langjährige Erfahrung zeigt: «Durch angepasste medizinische Unterstützung ist es möglich, schmerzfrei und ohne Angst zu gehen, wenn der betroffene Mensch in der Familie und bei Freunden gut aufgehoben ist.» Wichtig war es für ihn als Arzt, medizinische Zusammenhänge aufzuzeigen und unter anderem zu erklären, wie Medikamente wirken, so zum Beispiel, dass Morphium und Cortison in richtiger Dosierung sehr hilfreich sein können.
Heidi Müller erzählte, wie sie die Begleitung von Urs Auf der Maur beim Sterben ihrer 38-jährigen Freundin erfahren hatte: «Er ist immer wieder auf die Wünsche der Freundin eingegangen und hat uns als Arzt und als Mensch begleitet. Das gab uns grosse Sicherheit.»
Urs Auf der Maur schilderte die letzten Lebenswochen seiner Mutter. Nach einem intensiven Leben konnte die Raucherin den Tod akzeptieren und mit guter Begleitung eingebettet in die Familie selig daheim sterben. Der Arzt wollte allerdings nichts beschönigen, verlaufe doch das Lebensende bei jedem Menschen wieder anders. Er betonte: «Auch Menschen ohne Angehörige werden in spezialisierten Institutionen wie zum Beispiel in der Palliativabteilung von Viva Luzern Eichhof oder im Hospiz in Littau liebevoll begleitet.»
Humor ist Medizin
Nach intensiven Gesprächen in der Pause wurde die Möglichkeit, Fragen zu stellen, rege genutzt. «Wo sind heute die Hausärzte, die sich Zeit nehmen für Gespräche und die Patienten auch zu Hause besuchen?» Das war eine Frage, auf die es keine Antwort gab. Hingewiesen wurde auf den Brückendienst der Stadt Luzern, bei dem spezialisierte Fachkräfte in Absprache mit den Ärzten die Menschen in der Sterbephase zuhause begleiten. Heidi Müller ermunterte dazu, Vertrauen zu haben, und zu wagen, Hilfe anzufordern und Wünsche zu äussern: «Sterbesituationen berühren viele Menschen, die offen werden auch für unkonventionelle Lösungen.»
Angesprochen wurde auch die Bedeutung des Humors als beste Medizin für Lebensqualität. Entsprechend sagte Urs Auf der Maur abschliessend: «Wir Anwesende hier im Raum sind alle auf der Warteliste. Wenn wir erfüllt leben, unsere Sterblichkeit akzeptieren und nehmen, was auf uns zukommt, können wir leichter gehen.» Trotz des schwierigen Themas waren am Ende der Veranstaltung lauter zufriedene und lachende Gesichter zu beobachten.
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19. März 2024 – monika.fischer@luzern60plus.ch