Cécile Bühlmann. Foto: Joseph Schmidiger

Die Burkadebatte und die Frauen

Von Cécile Bühlmann

Bis etwa Ende Januar war es erstaunlich still um die Verhüllungsinitiative. Da es sich um eine weitere Auflage einer antiislamischen Initiative des am rechten Rand der SVP situierten Egerkingerkomitees um Nationalrat Wobmann handelte, schienen die Parteien den Ball eher flach halten zu wollen.

Das änderte sich, als ein Frauenkomitee um die Mitte-Nationalrätin Mariann Binder und die SVP-Nationalrätin Monika Rüegger an die Presse gelangte. Unterstützt werden sie von Saida Keller Messahli vom Forum für einen fortschrittlichen Islam, welche in der Arena der Linken vorwarf, sie würde sich eher mit Islamisten verbünden als sich mit der Frage zu konfrontieren, welches Frauenbild der Islam habe. In der Folge erschienen Schlag auf Schlag Zeitungsartikel von Frauen, die sich für das Burkaverbot stark machten. Die Luzerner Autorin Gisela Widmer schrieb, dass sie kein Verständnis dafür habe, dass die Linken die Burka-Initiative bekämpfen. Vielmehr sollten sich Feministinnen für sie einsetzen. Die Politikwissenschafterin Elham Manea findet, wenn sich eine junge Frau für diese fundamentalistische religiöse Interpretation entscheide, sei dies zwar ihre Wahl, aber die religiöse Ideologie, die sie fördere, sehe keine Wahlfreiheit vor, sie sei totalitärer Natur. Verstärkung kam aus Deutschland, Alice Schwarzer schrieb in der NZZ, egal ob es drei oder dreitausend Burkaträgerinnen seien, schon eine sei zu viel. Sekundiert wurden die Frauen von Frank A. Meyer, welcher sich im Sonntagsblick fragte, ob die Gender-Verblödung schon so weit fort­geschritten sei, dass Feministinnen das Burkaverbot mit der Freiwilligkeitsparole bekämpften.

Das alles rief Daniel Binswanger auf den Plan, der in der Republik titelte: „Nikab verzweifelt gesucht!“ Der Nikab sei in Saudiarabien ein Mittel der Unterdrückung, nicht aber im europäischen Kontext. Er liess die europaweit führende Expertin über Praxis, Bedeutung und Entwicklung des Nikab, Agnès De Féo, zu Wort kommen. Sie forscht seit 15 Jahren über die Vollverschleierung in Frankreich und kommt zu erstaunlichen Befunden, die alle Clichés widerlegen: Die französischen Nikab-Trägerinnen kommen fast ausnahmslos aus nicht religiösen Familien und sind nicht religiös erzogen worden. Der Nikab sei nicht das Zeichen der Unterwerfung unter eine Familien­tradition, schon gar nicht einer erzwungenen Unterwerfung, sondern eine Revolte gegen die Eltern und das Herkunfts­milieu. Natürlich lasse der Nikab sich instrumentalisieren, und natürlich könne es Verbindungen geben zum politischen Islam oder auch zum islamistischen Terrorismus. Aber diese Instrumentalisierung werde erst dann richtig interessant, wenn der Nikab verboten sei. 

Während in den auflagestarken Medien VerbotsbefürworterInnen viel Raum erhielten und damit die These der gespaltenen Feministinnen beweisen sollten, ist ein breit abgestütztes Frauenkomitee gegen das Burkaverbot entstanden, dem inzwischen bereits über 400 Frauen beigetreten sind: von der SP bis zur FDP, von Ruth Dreifuss über Petra Gössi, Andrea Gmür, mehreren Dutzend National- und Ständerätinnen der SP, der GLP und der Grünen, dazu viele Politikerinnen von Kantonen und Gemeinden, alle Präsidentinnen und Geschäftsleiterinnen der grossen Frauenverbände wie alliance f, Katholischer Frauenbund, Evangelischer Frauenbund, Frauenstreikkomitees, Kulturschaffende, Wissenschafterinnen und viele, viele mehr. Das Bild der gespaltenen Feministinnen ist insofern schief, als dass sich die grosse Mehrheit der in Politik und entsprechenden Organisationen aktiven Frauen im Komitee gegen das Burkaverbot engagieren. Als ehemalige Vizepräsidentin der Eidg. Kommission gegen Rassismus mache ich da auch mit: “Die Frauenrechte werden als emotionale Mobilisierungsstrategie für eine fremdenfeindliche Politik instrumentalisiert.“ Hier noch weitere Stimmen von Gegnerinnen des Burkaverbotes: Christa Markwalder, FDP-Nationalrätin:“ Nein zu dieser populistischen Initiative, die sich vordergründig und scheinheilig für die Selbstbestimmung der Frau stark macht. Verschleierung ist in der Schweiz nicht das Problem, das erneute Schüren von Islamophobie hingegen schon.“ Claudia Kaufmann, Juristin, ehemalige Ombudsfrau der Stadt Zürich: „Intoleranz und Scheinprobleme gehören nicht in unsere Verfassung – kümmern wir uns gemeinsam um ernsthafte Fragen des Miteinanders jeder Art.“ Doris Strahm, Feministische Theologin: „Beim Burkaverbot handelt es sich um reine Symbolpolitik: es geht nicht um den Schutz der Frauenrechte, sondern gegen den Islam.“  Gülcan Akkaya, Dozentin an der Hochschule Luzern: „Frauenrechte schützt man nicht mit symbolischen Kleidervorschriften in der Verfassung, sondern mit echter Gleichstellung im Berufs -und Lebensalltag.“ Und Laura Zimmerman von der Operation libero bringt es so auf den Punkt: „Ich mag Burkas nicht sonderlich aber ich werde alles dafür geben, dass sie getragen werden können.“ 

Welche Argumente die Frauen insgesamt mehr überzeugen, wissen wir erst nach dem Urnengang vom 7. März! 

 

https://www.donnefemmesfrauen.ch/

https://frauenrechte-ja.ch/

 22.02.2021 cecile.buehlmann@luzern60plus.ch

Zur Person: 
Cécile Bühlmann, geboren und aufgewachsen in Sempach, war zuerst als Lehrerin, dann als Beauftragte und als Dozentin für Interkulturelle Pädagogik beim Luzerner Bildungsdepartement und an der Pädagogischen Hochschule Luzern tätig. Von 1991 bis 2005 war sie Nationalrätin der Grünen, 12 Jahre davon Präsidentin der Grünen Fraktion. Von 2005 bis 2013 leitete sie den cfd, eine feministische Friedensorganisation, die sich für Frauenrechte und für das Empowerment von Frauen stark macht, von 2006 bis 2018 präsidierte sie den Stiftungsrat von Greenpeace Schweiz. Sie ist Vizepräsidentin der Gesellschaft Minderheiten Schweiz GMS. Seit anfangs 2014 ist Cécile Bühlmann pensioniert und lebt in Luzern.

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