Corona-Pandemie in den Luzerner Pflegeheimen (I)
«Es war alles da, was wir brauchten»
Die Altersinstitutionen waren von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen. Wie gingen die Betroffenen damit um? Davon berichten in einer dreiteiligen Serie eine junge Pflegefachfrau, eine Bewohnerin im privaten Pflegeheim Steinhof sowie die Betriebsleiterin eines Betagtenzentrums von Viva Luzern.
Von Monika Fischer (Text und Fotos)
Noch sind die Türen des Pflegeheims Steinhof in Luzern mit rund 100 Bewohnerinnen und Bewohnern für Aussenstehende geschlossen. Doch sind Angehörige seit dem 4. Mai 2020 herzlich willkommen, ebenso wie die Journalistin. Beim Eingang liegen neben dem Meldeformular für Besucherinnen und Besucher auch Masken und Desinfektionsmittel bereit. Beim Gang durchs weitläufige Haus herrscht eine ruhige, friedliche Atmosphäre. Einige Frauen und Männer sind zu Fuss oder im Rollstuhl unterwegs. Andere sitzen still da, oder sie sind in eine Zeitung oder in ein Kreuzworträtsel vertieft.
Einzig die Masken der Mitarbeiterinnen weisen auf die aussergewöhnliche Situation der Corona-Pandemie hin. Die Leiterin des Pflegedienstes, Veronika Lagger, ist dankbar, dass im Steinhof keine Bewohnerinnen und Bewohner an Covid-19 erkrankt sind. Die getroffenen Schutzmassnahmen zeigen, dass sie wirksam sind. Veronika Lagger bringt persönlich einen feinen Smoothie aus Waldbeeren vorbei. Die Mitarbeitenden erhalten ihn zweimal wöchentlich zur Stärkung des Immunsystems.
Zusätzliche Verantwortung
Im Gespräch mit Céline Beccarelli, 23, gibt die seit März diplomierte Pflegefachfrau HF offen Auskunft über sich und die Zeit im Heim während der Corona-Pandemie. Sie machte bei der Spitex die Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit, arbeitet seit 2016 im Steinhof und machte nach einer längeren Reise die Ausbildung zur Pflegefachfrau HF. «Altersthemen interessieren mich. Hier im Heim begegne ich vielen breit gefächerten Krankheiten und komplexen Situationen. Dabei kann ich viel lernen», begründet sie ihre Motivation für die Arbeit im Pflegeheim.
«Unsere Institution war seit Beginn der Pandemie mit Desinfektionsmitteln, Masken und Schutzkleidern gut abgedeckt; es war alles da, was wir brauchten», antwortet sie auf die entsprechende Frage. Als frisch diplomierte Fachfrau machte sie sich wohl Gedanken, was nun auf sie zukomme und ob sie der zusätzlichen Verantwortung gewachsen sei. Doch wurden sie durch die Leitung stets gut informiert und konnten sich jederzeit mit Fragen an die Vorgesetzten wenden. Ans Maskentragen hatte sie sich rasch gewöhnt, obwohl der Gesichtsausdruck damit wegfalle.
Die junge Pflegefachfrau Céline Beccarelli fragte sich, ob sie der zusätzlichen Verantwortung gewachsen sei.
Mehr Zeit für Gespräche
«Zu Beginn des Lockdown herrschte eine bedrückte Grundstimmung unter den Bewohnerinnen und Bewohnern, weil sie ihre Angehörigen nicht mehr sehen konnten. Wir haben wohl einen guten Bezug zu ihnen, können jedoch kein Ersatz sein für ihre Angehörigen», erklärt die Pflegefachfrau. Und doch hatte sie nicht den Eindruck, dass die Frauen und Männer stark unter der Isolation gelitten haben. «Sie haben gespürt, dass das Leben anders ist, weil zum Beispiel viele Aktivitäten fehlten. Doch habe das Team professionell reagiert und sich mehr Zeit für Gespräche genommen, wenn das Bedürfnis da war. Zudem bekam jede Abteilung für die Bild-Telefonie zusätzliche Skype-Geräte, was als Ersatz für die direkte Kommunikation sehr geschätzt wurde.
Nicht einfach war es, die wenigen Bewohnerinnen und Bewohner, die regelmässig in die Stadt gehen, zurück zu halten. «Das Verbot war für sie eine grosse Einschränkung. Es war hilfreich, die Massnahme mit Fachwissen gut zu begründen.» Zusätzlich beansprucht waren die Mitarbeitenden durch die vielen Anrufe der Angehörigen, die wissen wollten, wie es der Mutter, dem Vater geht.
Fehlender Ausgleich in der Freizeit
Céline Beccarelli hatte nie den Eindruck, dass sie durch die ungewohnte Situation überlastet war, wurde doch das Team zusätzlich durch Freiwillige und PraktikantInnen unterstützt. Jedoch spürte sie ihre enorme Verantwortung in der Freizeit. «Ich achtete darauf, die Hygieneregeln strikte einzuhalten. Zudem fehlte mir der Ausgleich zum verantwortungsvollen Beruf.» Sie konnte nicht wie gewohnt Sport treiben und Freunde treffen. Mit Spaziergängen und gemütlichen Filmabenden versuchte sie sich zum Ausgleich etwas Gutes zu tun. Wichtig war für sie auch die Unterstützung im Betrieb, zum Beispiel durch die stärkenden Smoothies. «Dankbar bin ich auch für die gute Betriebskultur. Im Team konnten wir uns gegenseitig auffangen. Wichtig sind auch die täglichen Bewegungsübungen, die uns für den Tag bereit machen.»
Die tiefen Fallzahlen und die ersten Lockerungsschritte bedeuten für die junge Fachfrau eine grosse Erleichterung. «Nun wage ich es wieder, hinaus zu gehen. Auch im Haus ist die Stimmung entspannter. Die Besuche der Angehörigen bringen wieder Leben ins Haus. Seit dem 8. Juni sind gemeinsame Spaziergänge mit Abstand und gemeinsame Mittagessen mit den Angehörigen wieder möglich, was sehr geschätzt wird.» - 26.6.2020