Adrian Rentsch, Leiter Ausbildung beim Verein Sonnenberg, kontrolliert den von den Kursteilnehmenden präsentierten Luzerner Lebkuchen mit kritischem Blick. Bilder: zvg

Genuss und Ausbildung auf dem Sonnenberg

Das Hotel-Restaurant Sonnenberg beschäftigt neben 30 Fachleuten rund 70 Personen in Projekten zur Arbeitsintegration und bietet ihnen so Aussicht auf einen Platz im Arbeitsmarkt.

Von Monika Fischer

Auf den Sonnenberg führen verschiedene Wege. Die einen fahren mit dem Bus Nr. 10 zur Endstation Obergütsch und haben nach dem Aufstieg über die Treppe mit Holzrugeln schon bald das Ziel vor Augen. Andere wandern an den Säli- und Steinhof-Schulhäusern und den Schrebergärten vorbei durch den Gigeliwald und durch Wiesen und Felder auf den Berg. Wieder andere nehmen das Velo oder das Auto oder sie fahren ab der Busschleife Kriens mit dem über 100-jährigen blauen Bähnli in die Höhe: ein besonderes Erlebnis für Grosseltern mit ihren Enkelkindern.

Diese lockt der grosse Spielplatz nahe der Endstation, während Wanderlustige fasziniert sind vom Gang durch die alte Baumallee und die Wolfsschlucht. Einkehr ermöglichen der Sonnengarten und das Restaurant Sonnenberg, das von vielen Gästen auch zum Mittag- oder Abendessen aufgesucht wird und ein begehrtes Ziel für Hochzeiten und Familienfeiern ist. Was weniger bekannt ist: Das Hotel-Restaurant Sonnenberg wird seit dem 1. Mai 2007 als einzigartiges Projekt zur Arbeitsintegration vom Verein Sonnenberg, bis vor kurzem «The Büez», geführt.

Neue Berufschancen mit «GastroGo!»
Beim Programm «GastroGo!» hat am 9. September 2024 ein neuer Kurs begonnen. Dieser dauert drei Monate und hat das Ziel, die Arbeitschancen und Befähigung von Migranten und geflüchteten Menschen zu stärken und zu fördern, damit sie ihre Existenz mittels Erwerbseinkommen in der Gastronomie und/oder Hotellerie sichern können.

Im Schulungsraum sitzen beim Besuch 14 Frauen und 5 Männer verschiedener Altersstufen und Kulturen. Mehrheitlich kommen sie aus der Ukraine. Thema des Kurstages ist der Umgang mit Stelleninseraten. Job-Coach Barbara Jossi gibt zuerst einen Einblick in die Bildungslandschaft Schweiz. «Menschen mit Deutschkenntnissen und Arbeitserfahrung haben gute Chancen, eine Arbeitsstelle im Service oder in der Küche zu finden», betont sie und erklärt, was alles in ein Bewerbungsschreiben gehört.

Jossi zeigt die Bedeutung der Motivation und eines guten Netzwerks auf: «Dieses ist eine Riesenchance, wenn ihr einen guten Job macht.» Immer wieder muss sie deutsche Begriffe erklären. Olena, eine Frau mittleren Alters in einer traditionellen Bluse, erklärt ihren Landsleuten manches zusätzlich auf Ukrainisch. Beim Gang in die Pause sagt sie lachend: «In Kiew war ich Lehrerin für Englisch und Chinesisch. Jetzt packe ich meine Chance und will mir in einem ungewohnten Gebiet eine neue Karriere und Selbständigkeit aufbauen.»

Ausbildung in Theorie und Praxis
Geschäftsleiter Ron Prêtre und Adrian Rentsch, Leiter Ausbildung, haben das Angebot seit 2022 gemeinsam entwickelt und bereits fünfmal erfolgreich durchgeführt. «GastroGo!» ist kein Beschäftigungsprogramm, sondern eine fundierte Ausbildung mit Praxistransfer in einem realen Betrieb mit realen Gästen und realen Aufträgen. Dabei werden die Kursteilnehmenden ganzheitlich begleitet. Das Programm besteht zur Hälfte aus theoretischen Kenntnissen und einem Deutschkurs im Gastrobereich sowie Bewerbungsunterstützung, zur anderen Hälfte in der Praxis, sei es auf dem Sonnenberg oder in einem anderen der sieben am Projekt beteiligten Hotel- und Gastrobetriebe. Daneben werden die Kursteilnehmenden eine Stunde pro Woche von einem persönlichen Job-Coach begleitet.

Nach dem Einführungsprogramm werden sie in der dritten Woche in den Praxisbetrieb eingeführt. «So, wie es in einer Lehre geschieht», erklärt Prêtre. «Bei uns im Restaurant Sonnenberg werden sie je nach Fähigkeiten, Selbstvertrauen und Bedarf im Arbeitsprozess in der Küche oder im Service eingesetzt, sei es in der Mittags- oder in der Abendschicht. Am Mittag servieren wir einfache Menüs, am Abend können unsere Gäste ein feines Essen von Spitzenkoch Luca Haase geniessen, der seit diesem Sommer mit GaultMillau-Punkten ausgezeichnet ist.»

Das Hotel-Restaurant Sonnenberg ist nicht nur ein beliebtes Ausflugziel, es ist  auch Beschäftigungs- und Ausbildungsort im Bereich der Arbeitsintegration.

Chance für beide Seiten
Der dreimonatige Vollzeitkurs richtet sich an Interessenten, die eine Arbeitsstelle suchen, jedoch keine oder sehr wenig Erfahrung in den Berufsfeldern Küche, Service und Hauswirtschaft haben. Voraussetzung ist die Bereitschaft, unregelmässige Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen. Einige der Kursteilnehmenden haben sich selber gemeldet. Andere wurden von der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern oder vom Kanton Nidwalden angemeldet. Die Kurskosten inklusiv Anreise werden voll übernommen. Das Programm, das finanziell zusätzlich vom Verband Hotellerie Suisse Luzern und von einer Stiftung unterstützt wird, ist dank der ganzheitlichen Begleitung sehr erfolgreich.

Rentsch freut sich besonders über die Motivation der aus der Ukraine geflüchteten Menschen. Diese sind dankbar für die Aussicht auf eine Arbeitsmöglichkeit, auch wenn sie in ihrer Heimat in einem ganz anderen Bereich gearbeitet haben. Prêtre ist überzeugt, dass «GastroGo!» auch in anderen Kantonen funktionieren würde und hat bereits entsprechende Pläne entwickelt: «Neben Schutzsuchenden mit Status S ist es ebenfalls für Migrant:innen und Schweizer:innen mit schlechten Deutschkenntnissen eine Chance, eine Arbeitsstelle zu finden und finanziell unabhängig zu werden. Gleichzeitig ist es eine Möglichkeit, angesichts des Personalmangels Leute in die Gastronomie zu bringen.»

Das Ausbildungszentrum im Hotel-Restaurant Sonnenberg bietet neben «GastroGo!» auch andere Kursprogramme für arbeitssuchende Menschen, die in ein neues Berufsfeld einsteigen möchten. Einsatzmöglichkeiten bieten neben Küche und Service ebenfalls die Reception, die Hauswirtschaft und Hauswartung sowie die Umgebung mit dem Sonnengarten, dem Spielplatz, der Minigolf-Anlage und dem kleinen Zoo mit den Minipferden. Letztes Jahr konnten über 100 Personen aus den Programmen und Kursen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Begonnen hat alles 2006 mit ersten Plänen und der Gründung des Vereins «The Büez» durch Christian Spieler, Roman Unternäherer und Ron Prêtre, der seither als Geschäftsleiter tätig ist. Der neue Name «Verein Sonnenberg» seit Anfang Jahr soll den klaren Fokus auf Kurse und Schulungseinheiten und auf Integration durch Bildung aufzeigen.

Die Teilnehmenden von Kurs Nr. 5 freuen sich über das «GastroGo!»-Diplom.

24. September 2024 – monika.fischer@luzern60plus.ch