Diese beiden Häuser an der Dufourstrasse (gelbe und grüne Fassade) sollen für Menschen 60plus bald ein Zuhause sein.
«Alte wollen gestört werden»
Ein Privatmann baut im Bruch-Quartier Häuser mit Wohnungen für ältere Menschen um. Was bewegt den Unternehmer und welche Ideen stehen dahinter? Markus Bürgenmeier sagt, was ihn bewegt.Von Hans Beat Achermann (Text) und Redaktion (Bilder)
Noch ist alles Baustelle an der Dufourstrasse 25 in Luzern, doch im nächsten Frühjahr sollen dort Menschen über 60 zuhause sein, genauso wie im angrenzenden Haus Nummer 27. Besitzer Markus Bürgenmeier realisiert mitten im Luzerner Bruch-Quartier 16 alters- und behindertengerechte Wohnungen.
Gebaut wurden die beiden ungleichen Häuser vor rund 120 Jahren. Ungleich, weil nur eines der beiden seinen Jugendstilcharakter behielt. Das andere Haus wurde von Bürgenmeiers Vater 1968 gekauft und «modernisiert» und wird nun wieder dem Originalzustand angenähert. Das Haus links davon konnte Markus Bürgenmeier vor vier Jahren von der Heilsarmee erwerben.
Wir betreten die Baustelle, eine sanfte Rampe führt zum Lift, und gleich daneben befindet sich ein Gemeinschaftsraum, durch den der grüne Innenhof erschlossen ist. Auch ein WC gibts nebenan. Das Raumkonzept spiegelt Bürgenmeiers Philosophie des Wohnens im Alter: «Alte wollen gestört werden», so werde die Einsamkeit überwunden. Wer den Lift benützen wolle, sehe vielleicht Mitbewohnende im Gemeinschaftsraum jassen oder plaudern und geselle sich zu ihnen: «Die Mieterinnen und Mieter holen sich den Bau, nicht umgekehrt», sagt der 71-Jährige (siehe Bild unten). Die räumliche Offenheit verlange natürlich auch Offenheit der Bewohnerinnen und Bewohner.
Markus Bürgenmeier vor «seiner» Baustelle im Bruch-Quartier.
Wieso kommt ein Unternehmer auf die Idee, Wohnungen für ältere Menschen zu bauen und zu vermieten? Er habe gesehen, dass das ein Bedürfnis sei, denn Ältere wohnten oft allein oder zu zweit in Einfamilienhäusern, möchten aber lieber in die Stadt ziehen und eine altersgerechte Infrastruktur sowie mehr Kontakt haben.
Das Projekt darf wachsen
Gemeinsam mit dem Architekturbüro Hugentobler und Studhalter aus Stansstad versuchte Bürgenmeier seine persönlichen Ideen vom Wohnen im Alter räumlich umzusetzen. Die beiden Häuser werden quasi zu einem, es gibt künftig nur noch einen Hauseingang und einen Lift. Dieser führt auf eine grosszügige Dachterrasse, die allen Mieterinnen und Mietern zur Verfügung stehen wird. Dort sind auch die Wärmepumpen diskret untergebracht. Unten im Parterre wird ein Fotograf das umgebaute Atelier beziehen; dieser arbeitete schon vor dem Umbau dort. Darüber liegen in jedem Stockwerk eine Zweieinhalb-, eine Dreieinhalb- sowie eine Viereinhalb-Zimmer-Wohnung, dazu kommt eine Dachwohnung.
Er werde die Mieterinnen und Mieter persönlich auswählen, nach Bauchgefühl, damit das Zusammenleben möglichst gut funktioniere. Doch vieles müsse wachsen: «Ich möchte das Haus mit den Bewohnenden sich organisch entwickeln lassen.» Er wisse, dass das Experiment auch scheitern könne. Bürgenmeier beteuert, dass er die Häuser nicht als Spekulant gekauft habe, «aber ich will überleben». Ein Neubau wäre günstiger gewesen, aber so – und das gehört auch zur Philosophie des Bauherrn – konnte er seiner Leidenschaft frönen: dem Renovieren, dem «Anreissen» und dem Realisieren eines Projekts.
Das Alte so weit wie möglich bewahren, dieses aber neuen Bedürfnissen anpassen, war eine Grundidee. «In die Tiefe renovieren», nennt er das. Auch das Verwenden von neuen Materialien und ökologische Aspekte sind dem gebürtigen Alpnacher wichtig. So sind alle Wände mit Lehmplatten verkleidet und mit Lehmfarbe bemalt. Das fördere das Wohlbefinden in den Räumen durch die Regulierung der Feuchtigkeit. In allen Räumen wurden Brandmelder eingebaut, alle Wohnungen sind barrierefrei und verfügen über Balkone.
Patron, Macher, «Chlütteri»
Angefangen hat Markus Bürgenmeiers berufliche Laufbahn im väterlichen Heizungs-Lüftungs-Klima-Betrieb. Als studierter Ingenieur HTL führte er die Firma «als Patron» weiter, persönlich besorgt um seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Firma hat er inzwischen operativ an zwei Mitarbeiter weitergegeben, fungiert aber immer noch als Berater. Sein Engagement gilt nun vor allem seinen Häusern, von denen er noch weitere besitzt. Er sei ein Macher, ein «Chlütteri», der gerne Verantwortung übernehme.
Ob er selbst in eine der Wohnungen einziehen möchte, frage ich ihn. «Ich könnte mir durchaus vorstellen, in einer WG zu wohnen», sagt der Junggebliebene, der mit seiner Frau in einer Luzerner Vorortsgemeinde wohnt.
Viele Interessierte ohne Inserat
Häuser kaufen, umbauen, renovieren und wieder vermieten: Das ist durchaus auch mit weniger angenehmen Seiten verbunden. Bürgenmeier musste allen ehemaligen Mietparteien kündigen, gab ihnen aber zwei Jahre Zeit und die Möglichkeit, ohne Kostenfolgen sofort auszuziehen. Viele hätten sogar im Quartier eine neue Bleibe gefunden, Misstöne habe es nicht gegeben.
Bleibt noch die Frage nach den neuen Mietzinsen. Sie sind noch nicht definitiv fixiert, dürften aber zwischen 1600 und 3200 Franken liegen. Bürgenmeier weiss, dass das nicht für alle Menschen drinliegt, aber er habe bereits eine lange Liste von Interessierten. Etwa sechs Millionen Franken habe er in die Häuser investiert: «Gut und nachhaltig Bauen ist teuer.» Dazu gehörten auch hohe Abgaben. Er betont, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt sehr angenehm gewesen sei.
Ist Bürgenmeier nun ein idealistischer Kapitalist oder ein kapitalistischer Idealist? Er will sich nicht gerne einordnen lassen, schon gar nicht politisch. Spürbar ist im Gespräch immer wieder die Leidenschaft für die Sache, das Unternehmer-Gen, die Lust, etwas auf die Beine zu stellen, auch Risiken einzugehen und das Scheitern zu riskieren. Aufhören gibt es bei ihm nicht. «Alte wollen gestört werden», sagte er zu Beginn. Vielleicht lasse er die Alten dannzumal an der Dufourstrasse auch durch eine Familie mit Kindern stören, sagt er zum Schluss schmunzelnd. Und aus dem «Altersheim» wird ein Mehrgenerationenhaus.
27. November 2023 – hansbeat.achermann@luzern60plus.ch