Joe Biden beim TV-Duell mit Donald Trump. Bild: CNN (Webseite)

Alt ist nicht gleich krank

US-Präsident Joe Biden ist offensichtlich so krank, dass er sein Amt kaum mehr länger ausüben kann. Ihm wird allerdings keine Fürsorge zuteil. Stattdessen wird sein Alter vorgeschoben.

Von Sandra Baumeler

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet die Altersgruppe der 75- bis 89-Jährigen als «Betagte und Hochbetagte». Insofern ist US-Präsident Joe Biden mit Jahrgang 1942 betagt – sein Kontrahent Donald Trump mit Jahrgang 1946 ebenso. Alter hin oder her, das alleine sagt nichts aus über die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen. In der Berichterstattung und in den Kommentaren zu Bidens erstem TV-Duell mit Trump wird indessen dieses Klischee bedient: je älter, desto seniler. Das ist in etwa so falsch wie die meisten der Trumpschen Behauptungen.

Biden habe sich verhaspelt, Aussetzer gehabt, abwesend gewirkt, Fakten durcheinandergebracht, den Faden verloren und fahrig gewirkt. Medien hier und ennet des Teichs stimmten in diesen Chor ein, und vor allem in jenen, dass Biden deswegen möglicherweise «zu alt» für das Amt sein könnte. Diese Zitate, gelesen online auf den Plattformen von sogenannt namhaften Medien, stehen stellvertretend für das Meiste in den letzten Tagen Gehörtem und Gelesenen: «Joe Biden ist nicht der erste US-Präsident, dessen Eignung aufgrund seines Alters infrage gestellt wird.» Oder: «Joe Bidens Alter ist Dauerthema im US-Präsidentschaftswahlkampf.»

Nein, ein 82-Jähriger hat nicht per se einen steifen Gang, ein maskenhaftes Gesicht, redet wirres Zeug, verliert den Faden, findet den Weg nicht mehr oder kann Gedankengänge nicht zu Ende führen. Biden ist krank, auch wenn das sein Leibarzt unlängst in Abrede stellte. Die Diagnose, woran Biden leidet, soll Fachleuten überlassen werden. Fakt ist: Die USA haben einen kranken Präsidenten, der vier weitere Jahre regieren will. Und einen Herausforderer, der lügt, dass sich die Balken biegen.

Gesundheitszustand kein Thema
Biden ist krank – und dürfte deswegen kaum in der Lage sein, sein Amt weiter ausüben zu können. Mit dem Alter hat das wenig zu tun, ausser, er hätte eine demenzielle Erkrankung (das Risiko, an einer Form von Demenz zu erkranken, steigt mit dem Alter). Die Medien machen den Gesundheitszustand und die Folgen von möglichen Erkrankungen – Urteilsfähigkeit, Amtsenthebung, wie weiter bei den Wahlen – nicht zum Thema. Stattdessen muss «Das Alter» herhalten.

Möglicherweise ist Biden beratungsresistent und ein sturer Bock ohne Krankheitseinsicht. Mag sein, das hat aber kaum etwas mit dem Alter zu tun. Die Medien machen aus der Causa Biden ein unwürdiges Spektakel, als sei der US-Präsident ein (zu) alter Depp. Das diskriminiert alle alten und älteren Menschen und zusätzlich jene, die krank sind.

Aufgabe der Medien wäre, Antworten auf solche und andere Fragen zu liefern: Wieso sitzt ein kranker US-Präsident so fest im Sattel, dass ihn kaum jemand da runterholen kann? (Die Hürden für eine Amtsenthebung sind dermassen hoch, dass sogar Trump ungeschoren davonkam.) Wieso ist seine Demokratische Partei so krank, dass ein kranker Präsident auf Teufel komm raus weitermachen muss? Debatten darüber wären angebracht – und weniger über «Das Alter».

30. Juni 2024 – sandra.baumeler@luzern60plus.ch