Im «Forum plus/minus 80 Wesemlin» vom März berichteten Silvana und Edwin Haag im Saal des Viva Wesemlin von ihrem Leben in Wohngemeinschaft mit zwei jungen afghanischen Asylsuchenden.

Alles war anders – ein grosser Kraftakt

Pia Schmid stellt die im Quartier wohnenden Referenten als offenes, tolerantes Ehepaar vor, das von 2015 bis 2020 ein afghanisches Brüderpaar bei sich aufgenommen hatte. In Wort und Bild blickten Silvana und Edwin Haag auf die Zeit zurück, die sie viel Arbeit und Kraft gekostet, jedoch auch bereichert hatte.

Von Monika Fischer (Text und Bilder)

Nach einer spontanen Begegnung mit dem 25-jährigen Manoucher vor dem Hirschpark hatte die Tochter die eben pensionierten Eltern 2015 angeregt, den jungen Afghanen bei sich im grossen Haus aufzunehmen. «Wenige Tage nach Manouchers Einzug bei uns stellte sich heraus, dass ein junger Bub mit gleichem Nachnamen im Ankunftslager Altstätten eingetroffen war. Er sei hier gelandet, weil er auf der vier Monate dauernden Flucht gehört habe, sein Bruder könnte möglicherweise in der Schweiz Asyl beantragt haben. So kam es, dass wir den um zehn Jahre jüngeren Bruder Zubeir ebenfalls aufnahmen», hatte Silvana Haag-Florin in ihrem Erfahrungsbericht «Baba und Mama» vor ein paar Jahren das Leben mit den zwei jungen Flüchtlingen ausführlich geschildert.

Im Vortrag zeigte sie auf, dass eine Flucht nie freiwillig ist und regte an, sich an unsere Vorfahren zu erinnern, die vor drei, vier Generationen auf der Suche nach Arbeit in die Welt zogen. Es sei wichtig, gut hinzuschauen und hinzuhören, kämen doch die Menschen mit ihren Traumatas, mit ihrer Angst und ihren Schmerzen bei uns an. «Wir mussten sehr viel helfen», erzählte das Ehepaar. Sie hätten angesichts der immer wieder neuen schlimmen Nachrichten aus Afghanistan – «oft war es bares Grauen» – nächtelang gemeinsam diskutiert und geweint. Rückblickend habe Manoucher gesagt, die Schweiz sei ihm vorgekommen wie ein Meer, nur konnte er nicht schwimmen.

Selbständig dank grosser Unterstützung
Silvana und Edwin Haag freuten sich, dass die beiden jungen Männer, die sie Baba und Mama nennen, inzwischen selbständig leben. Manoucher wurde als Flüchtling anerkannt, hat die vierjährige Lehre als Elektroplaner abgeschlossen, in der Türkei die von den Eltern ausgesuchte Frau geheiratet und ist glücklicher Vater der gut einjährigen Maria. Auch Zubeir habe nach längerer Zeit und mit sehr viel administrativem Aufwand die B-Bewilligung erhalten. Er mache es eigentlich gut, wisse aber nicht, wie man lernt und suche nach verschiedenen Praktikas noch immer nach einer möglichen Ausbildung. «Grosse Treue verbindet uns, das Vertrauen bereichert uns gegenseitig. Wir haben viel gegeben, bekommen aber noch viel mehr zurück», sagten die Ersatzeltern.

In der Diskussion zeigten sich die Anwesenden beschämt und bewegt von der Geduld und vom Durchhaltewillen des Ehepaars. Auf der Frage nach ihrer Motivation meinte Edwin Haag, er habe sich das Ganze wohl einfacher vorgestellt. Silvana Haag fühlte sich bei ihrem Engagement mit den Menschen verbunden, die im Zweiten Weltkrieg in die Schweiz geflüchtet waren. Weitere Fragen drehten sich um die Religion, die Kultur und die Situation der Frauen in Afghanistan. So hätten zum Beispiel die beiden Brüder nie mehr etwas von den beiden in ihrer Heimat lebenden verheirateten Schwestern gehört. Ein junger Mann, der ebenfalls unter den 27 Teilnehmenden sass, stellte sich als Vertreter von «Rock your life» vor. Er stellte die Organisation vor und erklärte, diese biete jungen geflüchteten Menschen ein breites Spektrum von Programmen zur Potenzialentfaltung an. Es gehe darum, alle interessierten Menschen dabei zu unterstützen, ihre individuellen Stärken und Potenziale zu entdecken und zu entwickeln. Pia Schmid dankte dem Referentenpaar zum Abschluss mit einer Flasche Luzerner Wein und einem Glas Luzerner Honig.    

Aktiv auch im hohen Alter
Das «Forum plus/minus 80 Wesemlin» ist eine lose Gruppierung, die sich das Ziel gesetzt hat, monatliche Zusammenkünfte mit Impulsreferaten für Seniorinnen und Senioren anzubieten. Das Forum wird von einer Planungsgruppe geleitet und ideell von der Stadt Luzern unterstützt. Es ermöglicht es Interessierten, sich an einem Ort im Quartier (aktuell im Viva Wesemlin) mit anregenden, lebensnahen Themen auseinanderzusetzen.

Die Anlässe finden in der Regel am ersten Freitag im Monat um 10 Uhr mit Input und Diskussion statt. Das breite Themenspektrum umfasst geschichtliche Themen, aktuelle Fragen, Kunst und Kultur, Philosophie und Religionen, Gesundheit, Medizin, Sucht, Sport usw. Oder es werden Institutionen, z. B. Korporationsgemeinde, Nachbarschaftshilfe Vicino, Hospiz Zentralschweiz vorgestellt. Das Leitungsteam organisiert die Arbeit freiwillig, die Referenten beziehen kein Honorar. Viva Wesemlin stellt den Raum unentgeltlich zur Verfügung und druckt auch die von Grafiker Walter Reichlin gestalteten Flyer gratis.

Alle Interessierten sind eingeladen
Seinen Ursprung hat das «Forum plus/minus 80 Wesemlin» im «Netzwerk 80plus Luzern», das 2017 von Dagmar Böhler von Innovage, unterstützt von der Stadt Luzern, gegründet worden war, mit der Überzeugung, dass Menschen auch mit 80 mitreden und mitgestalten wollen und etwas auf die Beine stellen können. Je ein Stamm im Wesemlin (in Zusammenarbeit mit Viva Wesemlin) und im Würzenbach (mit Vicino) bot Möglichkeiten zum Austausch. Ende 2021 wurde das Netzwerk ins Forum Luzern60plus integriert. Der Stamm Wesemlin wurde nach der Corona-Pause neu aktiviert und das Leitungsteam letztes Jahr um drei jüngere Personen erweitert. Ruedi Meier kam wegen seiner Mutter, die im Viva Wesemlin lebt, dazu. «Um auch jüngere und ausserhalb des Quartiers wohnende Menschen anzusprechen, wurde der Name in ‹Forum plus/minus 80 Wesemlin› geändert», erklärt Annemarie Fellmann, die in der Altstadt wohnt und über ein freiwilliges Engagement Personen aus dem Leitungsteam kennenlernte. Da sie im Quartierverein Altstadt für die Seniorinnen und Senioren zuständig ist, tauchte die Frage auf, dort ein ähnliches Angebot zu entwickeln. Stattdessen werden nun die Einladungen mit dem Programm auf die Webseite des Quartiervereins gestellt.

Wer den Flyer mit dem Programm künftig erhalten möchte, meldet sich mit einer Mail an Walter Reichlin: w.a.reichlin@sunrise.ch.

Das Leitungsteam des «Forum plus/minus 80 Wesemlin» (v.l.): Walter Reichlin, Annemarie Fellmann, Pia Schmid, Maya Bischof, Walter Steffen, Ruedi Meier, Rös Steffen und Eva Ciotto (nicht auf dem Bild).

Die nächsten Anlässe des «Forum plus/minus 80 Wesemlin»

Freitag, 4. April 2025, 10 Uhr, Viva Wesemlin
Hat das Leben im Alter noch einen Sinn? 
Gegen Ende des Lebens bekommt die Sinnfrage nochmals eine existentielle Bedeutung. Mit Roland Neyerlin, Philosoph, ehemalige Philosophische Praxis und Café Philo im Luzerner Theater.

Freitag, 2. Mai 2025, 10 Uhr, Viva Wesemlin
Tourismus Luzern: Herausforderung «Overtourism»: Was ist zu tun?
Referent: Ferdi Zehnder.

Freitag, 6. Juni 2025, 10 Uhr, Viva Wesemlin
Die Schweizergarde – und Werte meines Lebens
Referent: Pius Segmüller.

24. März 2024 – monika.fischer@luzern60plus.ch