Die Spitex in Text und Bild
Von Hans Beat Achermann
Ein neues Buch gibt einen wirklichkeitsnahen Einblick in den Alltag von Spitex-Mitarbeitenden, darüber hinaus kommen Themen wie Abschied, Palliative Care, pflegende Angehörige oder Selbstbestimmung zur Sprache. Geschrieben hat es die Zürcher Journalistin Pascale Gmür aufgrund persönlicher Erfahrungen.
Der Name Spitex ist inzwischen so geläufig wie Migros oder SBB. Und das kommt nicht von ungefähr, arbeiten doch bei der Spitex schweizweit mehr Personen als bei den beiden andern genannten Unternehmen, um die 38 000 Menschen. Mag sein, dass viele gar nicht mehr wissen, dass Spitex die Abkürzung ist für „spitalexterne“ Pflege. Mag auch sein, dass viele Menschen gar nicht genau wissen, was die Spitex und ihre Mitarbeiterinnen alles können, dürfen, müssen, leisten. Ein Buch gibt nun umfassend Einblick in den Alltag von Spitex-Mitarbeitenden, aber auch in die Institution Spitex, ihre Geschichte und ihren Kampf um (finanzielle) Anerkennung. Die Zürcher Journalistin und Filmerin Pascale Gmür lässt in ihrem Buch mit dem etwas eigenartigen Titel „Puzzeln mit Ananas“ Frauen und Männer erzählen, die bei öffentlichen Spitex-Organisationen arbeiten.
Entstanden ist das Buch aus eigener Betroffenheit: Innerhalb kurzer Zeit erkrankten beide Elternteile der Autorin schwer, der Vater an Krebs, die Mutter an Alzheimer. In dieser Zeit erhielt Pascale Gmür viele unmittelbare Einblicke in die Arbeit von Pflegenden: „Der Kontrast zwischen den eigenen Erfahrungen und dem mangelnden öffentlichen Bewusstsein für die Notwendigkeit der Nonprofit-Spitex veranlasste mich, diese Buch zu konzipieren und zu schreiben. Es entstand aus eigenen Initiative, basierend auf vierzig ausführlichen Gesprächen mit Menschen, die für Spitex-Organisationen arbeiten und sich für ein gutes Leben zu Hause einsetzen“, schreibt die Autorin im Vorwort. Entstanden ist ein umfassendes, 260seitiges Werk, das von der Geschichte der Spitex in der Schweiz bis zu neuen Angeboten wie Palliative Care das breite Feld der Pflege zuhause absteckt. Auch Themen wie die Leistungen (und die Grenzen) von pflegenden Angehörigen werden mit einbezogen, und in einem eigenen Kapitel wird das Abschiednehmen, das auch für Pflegende belastend sein kann, thematisiert. Im Zentrum des Buches aber sind die alltagsnahen Porträts, die einfühlsamen und berührenden „Reportagen“ aus dem Berufsalltag der Spitex-Frauen und (wenigen) -Männer. Die den sehr lesbaren Text hervorragend illustrierenden Fotografien stammen von der Fotografin Maurice K. Grünig.
Lob für den Inhalt, Kritik an der Form
Wie beurteilen Spitex-Verantwortliche selber das Buch? Wir haben bei Barbara Hedinger nachgefragt. Sie arbeitet in der Geschäftsleitung der Spitex Luzern. Die Rückmeldung – auch nach einer kleinen Umfrage im Team - ist durchaus positiv: „Das Buch zeigt das Bild der heutigen Spitex und zeigt gut, wie wir heute arbeiten. Sehr gelungen scheint uns, dass auch die Spezialbereiche Psychiatrie, Nachtdienst etc. beschrieben werden. Für Spitex-Mitarbeitende sind die Beispiele bekannt und zeigen nicht viel Neues. Wir können uns aber vorstellen, dass dies für interessierte Menschen einen guten Einblick in die Arbeit der Spitex gibt.“ Eine kritische Bemerkung macht Barbara Hedinger zur Gestaltung des Buches, „Ich finde die Aufmachung des Buches nicht gerade leserinnenfreundlich.“ Die Lernenden Fachangestellte Gesundheit hätten zudem zurückgemeldet, „dass die Form nicht modern und aktuell wirke“. Zudem bedauert Barbara Hedinger, dass die als innovativ bekannte Luzerner Spitex im Buch nicht vorkommt. Trotz dieser kleinen Kritik erhielten die Pflegefachpersonen, welche die Ausbildung abschlossen, das Buch dieses Jahr als Abschiedsgeschenk.
Dem Schreibenden, der die Spitex bisher nur durch die im Quartier vorbeifahrenden Smarts und die beschrifteten E-Bikes kennt (und durch einen sehr informativen Einblick anlässlich eine Besuchs des Forums Luzern60plus bei der städtischen Spitex), hat die Lektüre einen sehr umfassenden und neuen Blick auf eine unentbehrliche Institution und ihre engagierten Mitarbeitenden geboten. Der Titel „Puzzeln mit Ananas“ übrigens bezieht sich auf einen Traum, den der demente Vater der Autorin hatte.
Pascale Gmür: Puzzeln mit Ananas. Menschen der Spitex erzählen. 264 Seiten. Verlag Hier und Jetzt, Baden, 2019. Im Buchhandel erhältlich, ca. Fr. 34.—.
16. Oktober 2019